Benjamin Britten
Cello Suites
Jakob Spahn (Violoncello)
Der Schlüssel zu diesen Interpretationen von Brittens drei Suiten für Solo-Cello liegt in den eigenen Worten des Solisten: „Meine Arbeit an diesen Werken würde ich mit dem Knacken einer sehr, sehr harten Nuss vergleichen“, schreibt Jakob Spahn in seinem sehr informativen und gut lesbaren Einführungstext zur vorliegenden CD. „Um eine gewisse Freiheit in der Gestaltung von Struktur und Gestik zu erlangen, muss man sich zuweilen buchstäblich an ihnen ‚abarbeiten‘.“
Nicht, dass das Wort „abarbeiten“ sich auf den hörenden Eindruck von Spahns Spiel niederließe – ganz im Gegenteil: Jakob Spahn, seit 2011 Solo-Cellist an der Bayerischen Staatsoper und Preisträger beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München 2010, verfügt über eine derart stupende Technik, dass Brittens intrikate Musik unter seinen Händen so leicht klingt, als wäre sie soeben dahin improvisiert. Nein, es ist der Begriff der Freiheit, der hier im Vordergrund steht. Denn nicht nur bieten Brittens Suiten harten Stoff für den Solisten, sondern es muss sich auch jeder Interpret, der sich dieser Musik nähert, quasi einen Kampf liefern mit Mstislaw Rostropowitsch, für den sie geschrieben ist und der sie auch auf Schallplatte veröffentlichte – allerdings nur die ersten beiden Werke.
Die Interpretationen des Widmungsträgers sind natürlich sehr stark, aber auch ebenso natürlich und ungemein persönlich gehalten. Man kann nur verlieren, wenn man versucht, auf dem selben Pfad zu wandeln. Und getreu seinen Worten findet Jakob Spahn seinen eigenen Weg. Dieser mag – wenn man etwa den Beginn der ersten Suite mit der emotional überbordenden Rostropowitsch-Aufnahme vergleicht – etwas zurückhaltend anmuten. Spahn gelingt es jedoch sowohl den expliziten Charakter jedes einzelnen Satzes herauszuarbeiten als auch den explizit an Bach angelehnten Tanzcharakter der Musik lebendig werden zu lassen, ohne ihn überzubetonen.
Spahn agiert besonders erfolgreich in jenen Gefilden des halb Verspielten, halb Unheimlichen, die so sehr Brittens Eigenart waren und sich etwa im „Bordone“ genannten Satz der Suite Nr. 1 manifestieren. Der im Vergleich zu den Suiten eins und drei strengere Charakter der zweiten Suite wird von Spahn überzeugend offengelegt – und es dürfte sich von selbst verstehen, dass dabei der Exkurs in eine gewisse schulmäßige Trockenheit vermieden wird. Die abschießende Passacaglia dieser Suite erklingt – ebenso wie die der Suite Nr. 3 – als logische Schlussfolgerung einer Entwicklung des thematischen Materials über verschiedenste Ausdrucksformen hinweg.
Schön ist auch, dass Jakob Spahn noch Platz findet, neben den drei Suiten auch Brittens Tema Sacher vorzustellen – eines der letzten Werke Brittens und Teil einer, ebenfalls von Rostropowitsch initiierten, Hommage an Paul Sacher zu dessen 70. Geburtstag. <
Thomas Schulz