Werke von Prokofiew, Puccini, Rachmaninow und anderen
Cello Effect
Rastrelli Cello Quartet
Sergio Drabkin war skeptisch, als ihm Cellisten-Kollege Kira Kraftzoff vorschlug, ein Celloquartett zu gründen: Niemand wird vier Celli länger als zehn Minuten hören wollen! Offenbar konnten die Vorbehalte überwunden werden, denn im Jahr 2002 kam es zur Gründung des Rastrelli Cello Quartets, in dem der aus Weißrussland stammende Drabkin seither nebst cellistischer Mitwirkung den Part des Arrangeurs innehat. Mit zum Team gehören weiterhin Kraftzoffs ehemalige Schüler Misha Degtjareff und Kirill Timofeev. Diese beiden Cellisten haben übrigens anschließend an ihre Sankt Petersburger Ausbildungszeit noch an der Stuttgarter Musikhochschule studiert, Kraftzoff und Drabkin waren bzw. sind Mitglieder des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn. Namensgeber des Quartetts ist der Architekt Bartolomeo Rastrelli (1700-1771). Er prägte das barocke Sankt Petersburg und war ausersehen, dem Zarenreich eine neue Hauptstadt zu erbauen.
Nun erfreuen sich Celloensembles seit der Formierung der 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker vor über vierzig Jahren großer Beliebtheit. Ganz so exotisch, wie Drabkins Reaktion vermuten lassen könnte, war die Idee also nicht. Und welches andere Instrument wäre geeigneter, in potenzierter Form ein ganzes Ensemble auszufüllen, als das Cello? Dank seines Tonumfangs und seiner zahlreichen Register-Facetten vermag es virtuose Spieltechnik vorausgesetzt den Ambitus einer Orchesterlandschaft komplett abzudecken.
Im Repertoire des hochprofessionell agierenden Rastrelli Cello Quartets findet sich so gut wie keine Originalkomposition für vier Celli. Um so vielgestaltiger das Spektrum der Werke und Stile, dem wir beim Hören der vorliegenden CD begegnen: Prokofjews Romeo-und-Julia-Ballettmusik, Rachmaninows Vocalise und Tschaikowskys Valse Sentimentale stehen neben Samba, Blues und Jazz. Dank der kongenialen Arrangierkunst Drabkins und der phänomenalen Flexibilität der vier Musiker erscheinen insbesondere die Jazznummern in bisweilen ungewohntem Licht: Wir vernehmen eine wild-überdrehte Version von Paul Desmonds Take Five und kontrastierend hierzu Bobby Timmons Moaning in herrlich entspanntem Modus. Die klangliche Affinität des Cellos zum Saxofon wird hörbar in einer Adaption des St. Louis Blues, wohingegen die Celloherrlichkeit der Einleitung zu Cavaradossis Arie E lucevan le stelle aus Puccinis Tosca der Originalinstrumentierung entspricht. Die Fassung der Rastrellis beschränkt sich allerdings nicht auf die berühmte Introduktion, sondern nimmt die ganze Arie mit ins Boot.
Cello Effect? Wer in der Erwartungshaltung, in erster Linie einer zirzensischen Veranstaltung beizuwohnen, dem Spiel des Rastrelli Cello Quartets lauscht, wird überrascht sein: Hier geht es keineswegs nur um den Effekt, sondern um ein hohes Maß an kammermusikalischer Homogenität. Diese CD bietet musikalische Unterhaltung auf bestem Niveau nicht mehr, nicht weniger.
Gerhard Anders