Sulkhan Tsintsadze/Dmitri Schostakowitsch
Cello Concertos of 1966
Maximilian Hornung (Violoncello), Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ltg. Andris Poga
Sie war dabei: Die 1947 geborene englische Cellistin und Autorin Elizabeth Wilson studierte in den 1960er Jahren in Moskau bei Mstislaw Rostropowitsch und erlebte in dieser Zeit die Premiere des 2. Cellokonzerts von Dmitri Schostakowitsch. Ihr informativer, wenngleich in den Werkbeschreibungen recht ausufernder Booklettext zur vorliegenden Produktion bringt uns die Welt der russischen Cellokonzerte der Nachkriegszeit nahe.
Zu den Protagonisten seit den 1940er Jahren gehörte der legendäre Cellist Svjatoslav Knushevitzky, der viele Uraufführungen gespielt hat, im Cellokonzert von Reinhold Glière allerdings aus der Kurve flog: „[He] got muddled and lost his place more than once.“ Außerdem der junge Heißsporn Rostropowitsch, der 1953 Prokofjews Sinfonisches Konzert aus der Taufe hob. Und wir lesen den Namen des hierzulande wenig bekannten georgischen Cellisten Eldar Issakadze, dem das 2. Cellokonzert von Sulkhan Tsintsadze (1925-1991) – auch dieser Name dürfte uns kaum geläufig sein – gewidmet ist. Issakadze wiederum war einer der Lehrer des brillanten Cellisten Maximilian Hornung, der auf dieser CD als Solist zu hören ist. Ein Kreis schließt sich.
Hornung, Jahrgang 1986, gehört zu den bekanntesten Cellisten der jungen Generation. Nach Studien unter anderem bei David Geringas wurde er 23-jährig Solo-Cellist im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Nach vier Orchesterjahren wagte er den Sprung in die Solo-Karriere, und bisher gibt ihm der Erfolg recht: Er konzertiert weltweit mit renommierten Orchestern und Kammermusikpartnern wie Christian Tetzlaff und Tabea Zimmermann.
Auf seiner „sowjetischen“ CD kombiniert Hornung zwei Werke des Jahrgangs 1966: Sulkhan Tsintsadze bedient sich in seinem 2. Cellokonzert bisweilen einer (überraschend) freitonalen Tonsprache. Einflüsse georgischer Folklore sind vernehmbar, allerdings beschränken sie sich fast ausschließlich auf einen der fünf Sätze, das an vierter Stelle stehende Presto. Formal – eine zentrale Kadenz wird umrahmt von jeweils zwei „Episoden“, die in sich wiederum mehrteilig und leitmotivisch miteinander verbunden sind – wie auch in seiner unverstellten Expression mutet das Werk wenig „reglementiert“ an.
Schostakowitschs zweites Cellokonzert zeigt die ganze Meisterschaft des 60-Jährigen: seine Kunst als Kontrapunktiker und Instrumentator, sein unvergleichliches Changieren zwischen Ironie und leidenschaftlichem Appassionato, seine Verweigerung gegenüber jeder billigen Affirmation.
Maximilian Hornung spielt beide Werke mit spürbarer Hingabe, überaus farb- und nuancenreich und mit leuchtendem, niemals überladenen Ton. Sein selbst nach heutigen Maßstäben himmelsstürmerisches Spiel und seine außergewöhnliche technische Souveränität lassen ihn auch die vertracktesten Doppelgriffpassagen problemlos meistern. Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und der junge lettische Dirigent Andris Poga sind ihm kongeniale Partner. Großartig!
Gerhard Anders