Rota, Nino
Cello Concertos & Il Gattopardo
Hoppla, da haben wir uns wohl in der Epoche geirrt! Nino Rotas Cellokonzert von 1972 klingt, als käme es direkt aus dem 19. Jahrhundert: romantisch empfunden, tonal orientiert, ungebrochen emotional im Ausdruck, konventionell in der Form. Der erfolgreiche Filmkomponist aus Italien, der Fellini-Werke wie La Strada und Der Pate musikalisch versorgt hat, war auch abseits der Filmstudios ein eklektizistischer Überzeugungstäter. Seinem bewusst unzeitgemäßen Komponieren attestierte er selbst Nostalgie, Humor und Optimismus und er war stolz darauf. Die Kollegen Gershwin und Copland galten ihm als Vorbilder für gut gemachte Eingängigkeit. Doch was bei diesen beiden originell war dank des neuen Tonfalls aus amerikanischem Jazz und Folk , wirkt bei Nino Rota (1911-1979) über weite Strecken einfach nur gekonnt epigonal. Bei ihm gibt es keinen neuen Tonfall zu entdecken, nur den allseits bekannten der europäischen Orchestermusik des 19. Jahrhunderts.
Man hat Rotas 1. Cellokonzert als das romantische beschrieben, sein zweites es entstand 1973, nur ein Jahr später als das klassische. In der Tat überwiegt im ersten Konzert der gefühlsaufwändige, teils auch virtuose Schicksalston, während im zweiten ein Mozart-Zitat gleich zu Beginn mehr klassizistische Nüchternheit als Richtung vorgibt, durchkreuzt allerdings von einem breit ausufernden Andantino. Beide Konzerte sind dreisätzig mit langsamem Mittelsatz, beide überschreiten deutlich die 20-Minuten-Marke. Dennoch lassen sie sich nicht wirklich neben bedeutende Originalwerke des 19. Jahrhunderts stellen: Es fehlt einfach an allen Ecken an Esprit. Stattdessen gibt es bei Rota im Übermaß Wiederholungen, Sequenzen und Routinen.
Cellist Friedrich Kleinhapl und das Philharmonische Orchester Augsburg bewältigen dieses Programm mit solidem handwerklichen Können, ohne dabei vor allzu große Aufgaben gestellt zu sein. Möglicherweise empfanden die Interpreten diese anachronistischen Konzerte sogar als eine willkommene Abwechslung und kuriose Bereicherung der bekannten romantisch-klassischen Literatur. Ähnlich dankbar könnten Cellisten, Orchester und Auditorien in aller Welt empfinden. Der Eindruck, dass in dieser konzertanten Form der eklektizistische Spaß aber doch ein wenig zu groß geriet, will allerdings nicht weichen. In den abschließenden sieben Tänzen aus der Filmmusik zu Viscontis Der Leopard (1962) scheint Rotas Kunst jedenfalls deutlicher zu sich selbst zu kommen: Das ist leichte Musik aus dem Geist der Verdi-Ära Walzer, Mazurka, Polka, Galopp. Verspielte Etüden in imitierter Vergangenheit.
Hans-Jürgen Schaal


