Werke von Ignác František Mara, Markus Heinrich Grauel, Johann Wilhelm Hertel und Carl Friedrich Abel

Cello Concertos from Northern Germany

Gulrim Choï (Violoncello), Ensemble Diderot, Ltg. Johannes Pramsohler

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audax
erschienen in: das Orchester 02/2023 , Seite 71

Ab den 1730er Jahren entwickelte sich der Sächsische Hof in Dresden zu einem Musikzentrum von europäischem Rang. Kapellmeister Hasse und Konzertmeister Pisendel waren mit den neuesten Werken italienischer Provenienz vertraut, Vivaldi & Co. wurden in Dresden häufig aufgeführt. So verwundert nicht, dass sich manche Residenz des norddeutschen Kulturraums – allen voran Potsdam mit seinem jungen, musikbegeisterten König Friedrich II. – an Dresden orientierte.
Und hierauf ist auch zurückzuführen, dass bestimmte Instrumente, die in der norddeutschen Musik des frühen 18. Jahrhunderts noch ein Schattendasein führten, sich allmählich all’Italiana emanzipierten und mit solistischen Aufgaben betraut wurden. Darunter das Cello: Die vorliegende Aufnahme präsentiert vier um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstandene Cello­konzerte, die den beachtlichen Stand der Instrumentaltechnik dieser Zeit dokumentieren und zugleich begeistern durch ihre kompositorische Frische. Alle vier Werke haben Virtuosen dem Cello auf den Leib geschrieben, zwei dieser Meister – Ignác František Mara und Markus Heinrich Grauel – waren Cellisten der Potsdamer Hofkapelle. Maras C-Dur- und Grauels A-Dur-Konzert wurden hier erstmals auf CD eingespielt. Johann Wilhelm Hertel wirkte am Hof von Mecklenburg-Schwerin und stand in engem Kontakt zum Berliner Kreis um Carl Philipp Emanuel Bach. Sein expressives A-Moll-Konzert zeigt unter den vier Werken die größte Nähe zum Empfindsamen Stil des Bach-Sohnes, während Carl Friedrich Abels B-Dur-Konzert von frühklassischer Eleganz geprägt ist.
Dieses spannende Repertoire erfährt eine beeindruckende Wiedergabe durch Gulrim Choï und das in Paris beheimatete Ensemble Diderot, dessen Stamm-Cellistin sie ist und das geleitet wird durch den vielseitigen Barockgeiger Johannes Pramsohler. Wir hören Kammermusik mit obligatem Solo-Cello, da die Stimmen des „Orchesters“ solistisch besetzt sind. Hierdurch ergibt sich ein transparentes Klangbild, das zudem durch kräftige Bass-Akzente von Theorbe und Barocklaute grundiert wird. Gulrim Choï spielt die Soloparts mit blitzender Virtuosität, intensivem Ton, atmender Phrasierung und vermag in den langsamen Sätzen den kantablen Gestus italianisierender Opernarien überzeugend auf die Sonorität der tiefen und mittleren Cello-Registers zu übertragen. In den hohen Lagen mag man sich hier und da einen Hauch mehr Leichtigkeit wünschen, doch dafür werden wir entschädigt durch temperamentvolles und stets technisch souveränes Spiel. Das Engagement der hier agierenden fabelhaften Musiker:innen ist nicht genug zu loben. Hier finden musikwissenschaftlicher Sachverstand und brillantes Musizieren zu einer beglückenden Einheit zusammen. Gerhard Anders