Joseph Haydn / Antonio Vivaldi

Cello concertos / Concerto for Violin and Cello RV 547

Christoph Croisé (Violoncello), Eurasian Soloists Chamber Orchestra, Violine/Ltg. Sherniyaz Mussakhan

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Avie AV24022
erschienen in: das Orchester 07-08/2019 , Seite 69

Es müssen nicht immer Novitäten sein! Doch warum so oft Altbekanntes in soundsovielter Auflage? Gedanken, von denen der Verfasser dieser Zeilen sich nicht freimachen konnte angesichts einer weiteren Aufnahme der haydn-schen Cellokonzerte.

Es folgte (zunächst) ein exqui­sites Hörvergnügen: Schlank und elegant erklingt das Eingangstutti des C-Dur-Konzerts. Der Gestus stimmt, das Klangbild orientiert sich an historischem Instrumenta­rium, doch nirgends vernehmen wir übertrieben Gezacktes oder auch „Anämisches“. Angenehm integriert in den Gesamtklang, nicht auftrumpfend und doch prägnant dann der erste Einsatz des Solo­instruments. Alle technisch exponierten Passagen des Satzes werden mit spielerischer Leichtigkeit bewältigt. In den Höhen strahlend, im tieferen Register voller Wärme vernehmen wir Cello at its best. So selbstverständlich, so unverbraucht kann Haydns C-Dur-Konzert ­klingen!

Christoph Croisé, deutsch-schweizerischer Cellist des Jahrgangs 1993, studierte in Berlin bei Wolfgang-Emanuel Schmidt und erhielt weitere Impulse unter anderem durch Steven Isserlis, Michael Sanderling und David Geringas. Siebzehnjährig gab er sein Debüt in der Carnegie Hall, seither ist er in vielen bedeutenden Sälen mit renommierten Orchestern und Kammermusikpartnern aufgetreten: eine Karriere, die auf unspektakuläre Weise einfach „läuft“.

Und natürlich geht auch die Hörgeschichte in Sachen Haydn (größtenteils) gut weiter: Zwar frönt Croisé im langsamen Satz einem bisweilen „verdunkelnden“ ­Vibrato, das zum lichten Duktus nicht recht passen mag, doch hier wie auch im rasenden Finalsatz frappieren cellistisches Können und Phrasierungssicherheit gleichermaßen. Im Kopfsatz des D-Dur-Konzerts stellt Croisé Kantabilität und Ruppigkeit bisweilen unversöhnlich nebeneinander, und dass er sich für die probespielgehärtete, musikalisch aber missratene Gendron-Kadenz entschieden hat, ist beinahe unverzeihlich. Im ganzen Konzert trägt der nachgerade mollige Klang seines Goffriller-Cellos immer wieder dazu bei, dass einzelne Passagen abzutauchen drohen.

Croisés orchestraler Partner ist das Eurasian Soloists Chamber Orchestra, das sich 2015 unter Leitung des kasachischen Geigers und Oistrach-Wettbewerb-Preisträgers Sherniyaz Mussakhan zusammengefunden hat. Mag es sich auch, bei Licht betrachtet, um ein hochkarätig besetztes Ad-hoc-Ensemble handeln: Das ESCO verbreitet angenehme Klangeindrücke von Homogenität und Transparenz. Um so bedauerlicher, dass das Zugabenstück der CD – Vivaldis B-Dur-Doppelkonzert – nicht wirklich überzeugen kann: Überdrehte Ecksätze umrahmen einen leicht überzuckerten Mittelsatz, und obwohl sich das Ganze recht sportlich-neuzeitlich gibt, kommt eine solche Interpretation der Darstellung wirklicher barocker Affekte nicht näher als so mancher 60er-Jahre-Vivaldi.

Gerhard Anders