Joseph Haydn

Cello Concertos

Michał Balas (Cello), Kurpfälzisches Kammerorchester, Ltg. Christian Erny

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Berlin Classics
erschienen in: das Orchester 1/2025 , Seite 71

Alle Beteiligten widmeten Joseph Haydns Klassiker D-Dur und dem erst 1961 im Nationalmuseum Prag als Abschrift wiederentdeckten C-Dur-Cellokonzert eine derart hohe Sorgfalt, Genauigkeit und Aufmerksamkeit, als seien diese brandneue Stücke vor dem ersten Bewährungslauf. Über den Schweizer Dirigenten Christian Erny fand der junge polnische Cellist Michał Balas Kontakt zum Kurpfälzischen Kammerorchester, das sich laut Selbstdefinition der „Wiederentdeckung und Pflege der Mannheimer Schule widmet und sich damit in der Nachfolge der berühmten Mannheimer Hofkapelle zu Zeiten von Kurfürst Carl Theodor betrachtet“. Erny nennt „ein eklektisches Repertoire von der Renaissance-Polyfonie bis hin zu zeitgenössischer Musik“ als sein individuelles Alleinstellungsmerkmal. Die personelle Konstellation für diese Aufnahmen erwies sich in Absicht und Resultat als kongenial. Vorausgesetzt man begreift das Wort „eklektisch“ als anspornende Herausforderung für die bestmögliche Bewahrung oder Weiterentwicklung epochaler Errungenschaften, nicht aber als Dekadenzphänomen eines unkreativen Summierens und Nachahmens.
Die Aufnahmen wirken durch einen selbstbewussten Swing lebendig, agil und energetisch. Einzelne Instrumentalsoli und -gruppen geraten durch Gleichwertigkeit und Spannungsgehalt auf gleiche Bedeutungshöhe wie der Solopart. Mittel- und Höhenregister springen in den akustischen Vordergrund. Trotzdem wirkt der Klangeindruck durch Perfektionismus sowie hervorragend und schon hybrid aufgefächerte Proportionen nicht steril. Die Haltung ist historisch informiert, klingt dabei erstaunlich frisch und zeitgemäß. Übertreibungen von Akzenten und Details unterbleiben. Phrasierungen, Dynamik und Tempi sind ideal. Affekte – sie zeigen sich hier durchwegs als optimistisch, heiter und beschwingt – entstehen aus spieltechnischer Souveränität. Dabei setzt das Kurpfälzische Kammerorchester immer wieder neue Farben und Leuchtpunkte mit sehr kontrastreichen, dabei eleganten Bogenführungen und leichtgewichtigen Bläsereinsätzen. Bei keinem der beiden Konzerte holt Erny zu einer akzentuiert virtuosen Schlusswirkung aus. Die Stücke enden, weil jedes noch so schöne Brio und jeder noch so bewegte Dialog zwischen Solist und Orchester ein Ende haben muss.
Balas spielt eigens kreierte Kadenzen. Diese fügen sich ohne Brüche und exponierte Selbstgefälligkeit in die Werke und deren Wiedergabe ein. Damit zeigen sie wenig Individualität und dafür einen hohen Anspruch an musikalischen Gemeinschaftsgeist. Ohne solistische Qualitäten zu verleugnen, präsentiert sich Balas als Musiker mit bemerkenswerter Teamfähigkeit. Auch Erny wirkt eher durch seine geistige Haltung als durch autoritative Suggestion. So wird das Kurpfälzische Kammerorchester zum Motor und Medium dieser minimal kühlen, dabei brillanten und hochsensiblen Einspielung.
Roland Dippel