Werke von Joseph Haydn, Henri-Gustave Casadesus und Jean-Baptiste-Aimé-Joseph Janson

Cello Concertos

Valentin Radutiu (Violoncello), Württembergisches Kammerorchester, Ltg. Ruben Gazarian

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler Classic
erschienen in: das Orchester 12/2019 , Seite 64

Sie sind uns entrückt: Kompositionen, die in der Absicht entstanden, Werke oder Stilelemente aus Barock und Klassik in spätromantischem Gewand wiedererstehen zu lassen, um sie für die Zeitgenossen der Fin-de-siècle-Epoche konsumierbar zu machen. Bis weit ins 20. Jahrhundert bestand Konsens darüber, dass Musik des 18. Jahrhunderts einer Übersetzung bedarf, um „modernen Menschen“ verständlich zu sein. Freilich reichte das Spektrum der Adaptionen von seriösen Bearbeitungen à la Busoni und Schönberg bis hin zu Kompositionen „im alten Stil“, bei deren Geburt oft ein veritabler Etikettenschwindel Pate stand. Zu letzterer Kategorie zählt auch jenes c-Moll-Bratschen- bzw. Cellokonzert, das Henri Casadesus – ein Alte-Musik-Pionier früher Stunde – dem Bach-Sohn Johann Christian zuschrieb, obwohl es Casadesus’ eigener Feder entstammt und mit J. C. Bachs Stilistik so wenig gemein hat wie ein Elefantentrab mit einem Hummelflug. Im (ohnehin recht dilettantischen) Booklettext der vorliegenden CD wird die wahre Genese des Werks unverständlicherweise höchst verschraubt wiedergegeben.
Wie zeitlos-elegant dieses Werk klingen kann, beweisen Meistercellist Valentin Radutiu und das Württembergische Kammerorchester unter Ruben Gazarian. Befreit von aller schwerfälligen Streicher-Patina, die den Interpretationen pseudo-barocker Musik bis in die Nachkriegszeit anhing, erfreut das Casadesus-Konzert hier mit frischen Farben, federndem Puls und cellistischem Glanz vom Feinsten.
Mittlerweile gehört Valentin Radutiu zur ersten Garde der jungen Cellisten. Nach Studien bei Heinrich Schiff und David Geringas sowie erfolg- reichen Wettbewerbsteilnahmen widmet sich der 1986 Geborene einer veritablen Solistenkarriere, und zu einer solchen gehört für jeden Cellisten früher oder später eine Aufnahme des Haydn’schen D-Dur-Konzerts. Auch hier gelingt eine Überraschung: Leichtigkeit und Tiefe, Schönklang und atmende Phrasierung, höchste technische Souveränität und kammermusikalisches Einfühlungsvermögen – wann erlebt man schon einmal all diese Vorzüge in ein und derselben Interpretation? Hier! Bravo!
Drittes Werk im Bunde ist das D-Dur-Konzert des heute weitgehend vergessenen Jean-Baptiste Janson (1742-1803). Als Schüler des französischen Cello-Urvaters Martin Berteau debütierte Janson dreizehnjährig im Pariser Concert Spirituel. Später stand er in Diensten des Herzogs von Braunschweig, bereiste anschließend viele europäische Länder und genoss einen exzellenten Ruf als bedeutender Cello-Virtuose. Janson hinterließ zwei Opera mit jeweils 6 Cellokonzerten, op. 6 und op. 15. Das D-Dur-Konzert entstammt jedoch keiner dieser Sammlungen. Hatte hier vielleicht auch ein spätromantischer „Wiederentdecker“ seine Hand im Spiel?
Jenseits aller Spekulationen: Wir hören drei Konzerte, die dem Cello auf den Leib geschrieben sind und die Valentin Radutiu – vor feingliedrig-leichtfüßiger Orchesterbegleitung – mit allem ausstattet, was Cellospiel unwiderstehlich macht.
Gerhard Anders