Aram Khachaturian/Krzysztof Penderecki

Cello Concertos

Astrig Siranossian (Violoncello), Sinfonia Varsovia, Ltg. Adam Klocek

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Claves
erschienen in: das Orchester 01/2019 , Seite 69

Auch der Stalinpreis – er erhielt ihn 1941 – bewahrte ihn nicht vor Maßregelungen durch das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei. Insofern erging es Aram Khachaturian nicht anders als seinen Zeitgenossen Prokofjew und Schostakowitsch. Hören wir heute Werke dieser Komponisten aus stalinistischer Zeit, so fällt zunächst schwer, jenen vermeintlichen „Formalismus“, der den damaligen Kunstrichtern suspekt war, herauszuhören. Aus allen Poren der Musik scheint Sowjetherrlichkeit zu triefen, doch in der Tat enthält ein Werk wie Khachaturians 1946 entstandenes Cellokonzert auch andere Töne: Melancholie spricht aus dem langsamen Mittelsatz, Kriegseindrücke und -erinnerungen scheinen prägend gewirkt zu haben. Und auch die intensive Verwendung von armenischen Volksmelodien und -tänzen in den Außensätzen dürften für den in Tiflis geborenen Komponisten nicht allein als folkloristische Stimulans, sondern auch als Abgrenzung vom Vereinheitlichungsimpuls des sozialistischen Realismus fungiert haben.
Im Gegensatz zu seinem Violinkonzert ist Khachaturians Cellokonzert nie im gängigen Repertoire der Solisten heimisch geworden. Möglicherweise deshalb, weil es in seinem Gestus ein wenig altbacken herüberkommt? Spricht diese Musik noch unmittelbar zu uns oder doch nur über vorausgehende Überlegungen zur Situation des Komponisten?
Mit Verve und Hingabe, zugleich unterstützt durch musikalisches Feingefühl und – nicht zuletzt – brillante Technik, nimmt sich die junge französisch-armenische Cellistin Astrig Siranossian des Werks an. Und sogleich verschwinden die Vorbehalte. Wir hören hochemotionale, authentische Musik. Gewiss: über weite Strecken konventioneller als selbst heftig gemaßregelte Werke Schostakowitschs, dafür aber ohne die nervzerrenden (Pseudo?-)Ironien dieses Komponisten. Unterstützt durch die gut aufgelegte Sinfonia Varsovia unter Leitung des jungen polnischen Dirigenten Adam Klocek gelingt Astrig Siranossian eine überzeugende Darstellung. Die weiten Kantilenen erfüllt sie mit sehnigem, warmem Ton, und alle „sportlichen“ Anforderungen meistert sie ohnehin souverän.
Krzysztof Pendereckis 1982 geschriebenes 2. Cellokonzert zeigt den Komponisten auf dem Weg vom geräusch-affinen Avantgardismus der frühen Jahre zum eher rückwärtsgewandten Idiom, das seine Musik seither prägt. Das Konzert beginnt mit unheilverkündenden „Hitchcock“-Repetitionen, und für die nächste halbe Stunde ist der hochdramatische, aggressiv-perkussive Ton gesetzt. Der Verfasser dieser Zeilen mag sich irren: Mutet dieser Ton nicht bisweilen unecht an? Erleben wir da nicht einen Komponisten, der sich immerfort fragt: Wie halte ich die „Expressions-Maschine“ am Laufen?
Ein Könner ist er zweifellos, und eine überzeugende Könnerin ist allemal Astrig Siranossian, die den horrend schwierigen (wenngleich „robust“ komponierten) Solopart grandios exekutiert. Wir freuen uns darauf, aus den Händen dieser Cellistin einmal ganz andere Musik zu vernehmen!
Gerhard Anders

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