Antonin Dvořák

Cello Concertos

Raphaela Gromes (Cello), National Symphony Orchestra of Ukraine, Ltg. Volodymyr Sirenko

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Sony Classical
erschienen in: das Orchester 3/2025 , Seite 74

Auf ihrem letzten Album Femmes interpretierte Raphaela Gromes weitgehend unbekannte Werke von Komponistinnen. Mit dem Cellokonzert von Antonín Dvořák hat sich die Münchner Cellistin nun gemeinsam mit dem sensibel begleitenden National Symphony Orchestra of Ukraine unter der Leitung von Volodymyr Sirenko das meistgespielte Repertoire-Stück für ihr Instrument vorgenommen. Gromes überzeugt auch hier mit sonorem, farblich differenziertem Ton und großer Musikalität. Die lyrischen Inseln wie beim Dialog mit der Soloflöte im ersten Satz kostet sie aus. Die subtile Freiheit in der Agogik verleiht der Interpretation Frische und Natürlichkeit. Fließende Tempi und Genauigkeit im Detail schützen vor zu viel Pathos, die Virtuosität im Finale schüttelt sie aus dem Ärmel.
Das ukrainische Orchester hatte sie zuvor in Deutschland gehört. Schnell war eine Zusammenarbeit vereinbart. „Als ich im Dezember 2023 in Kyjiw das Dvořák-Konzert mit dem Nationalen Symphonieorchester der Ukraine gespielt habe, war die Hoffnung auf einen Sieg groß. Bei der Aufnahme Ende Februar 2024 in Lublin überwogen Schmerz und Trauer. Jeder aus dem Orchester hat einen Verwandten oder einen Freund, der gestorben ist“, sagt Gromes. Mit dem Dvořák-Konzert war die Tochter eines Cellisten-Ehepaares schon von Kindheit an vertraut. Besonders für ihren vor ein paar Jahren verstorbenen Vater, dessen Eltern aus Böhmen stammen, bedeutete das Werk viel. „Ich fühle mich meinem Vater sehr verbunden, wenn ich das Dvořák-Konzert spiele.“ Es spiegele auch die gesamte Bandbreite der menschlichen Emotionen wider – von der ausgelassenen Freude bis zur tiefen Trauer. „Kultur hat gerade im Krieg einen enormen Stellenwert. Nach zweieinhalb Jahren Krieg voller Leid, Angst und Erschöpfung brauchen die Ukrainerinnen und Ukrainer Räume zum Loslassen, zum Weinen. Ein Soldat sagte mir, dass er an seinem freien Tag in Kyjiw immer ins Museum, ins Theater oder ins Konzert geht, um seine Menschlichkeit und Empathie zu erhalten“, sagt Gromes, die ganz bewusst auch ukrainische Kompositionen auf das Album genommen hat. In Valentin Silvestrovs Prayer for the Ukraine rührt Gromes gerade in der klanglichen Zurückhaltung. „Die Melodie bleibt immer wieder stehen, ein bisschen wie ein Gesang, der im Hals stecken bleibt. Doch letztlich geht die Melodie immer weiter, dort öffnet sich der Raum für Hoffnung“, so Gromes. Das pathosgetränkte We Are von Yuri Shevchenko ist eine Bearbeitung der ukrainischen Nationalhymne, Stepan Charnetskyis Oi u luzi Chervana Kalyna hat eine stark folkloristische Note. Das Mariengebet Tropar der kurz nach Kriegsausbruch an Herzversagen gestorbenen Hanna Havrylets verdichtet Gromes mit ihrem kantablen, intensiv leuchtenden Celloton.
Georg Rudiger