Salva, Tadeáš

Cello Concerto / Three Arias / Little Suite / Slovak Concerto Grosso No. 3 / Eight Preludes

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naxos 8.572509
erschienen in: das Orchester 10/2012 , Seite 73

Wer war TadeᚠSalva? Ein erster Blick ins Booklet dieser Naxos-CD hilft da erst einmal wenig weiter: Das Adjektiv “slowakisch” kommt immer wieder vor und eine Abfolge von Orten und Namen slowakischer Provinzen. Aha, in einer Zeit, in der jedes zweite Dorf seine Mittelaltertradition entdeckt, in der landauf, landab frühere kulturelle Größen ausgegraben werden, wird also jetzt einem slowakischen Komponisten von einem slowakischen Ensemble gehuldigt – und fertig ist das Klischee!
Weit gefehlt: Denn was da aus den Boxen quillt, ist trotz des schlichten Booklettextes aufregend, fesselnd und wirklich spannend. Sicher, auch Salva ist erst einmal Kind seiner Zeit und geprägt von den klanglichen Erweiterungen der Mitte des 20. Jahrhunderts. Geboren 1937 im Ort Lúcky in der heutigen Slowakei studierte er bis 1958 an der Musikakademie von Bratislava und wechselte dann 1960 nach Katawice (Polen), um sich bei Witold Lutoslawski und Boleslaw Szabelski den letzten Schliff zu holen. Entgegen der engen Grenzen der sozialistischen Kulturpolitik in seiner slowakischen Heimat fand er im Umfeld des sich gerade etablierenden Festivals für zeitgenössische Musik “Warschauer Herbst” (seit 1956) den richtigen Rahmen für seine Ideen.
Allerdings beginnt diese CD mit einer gerade typischen Tonsprache der Zeit. Dem Concerto for Cello and Chamber Orchestra aus dem Jahr 1967 hört man noch deutlich die Vorbilder an: Lutoslawski, ein wenig Penderecki, eine Prise Ligeti. Doch bereits bei diesem Frühwerk überrascht Salva mit feinen rhythmischen Finessen und einer überraschend individuellen Behandlung der Stimmen. Auch wenn nach mehr als einer Generation die avantgardistischen Klänge der 1960er Jahre heute bei Weitem nicht mehr so aufwühlend wirken, hat dieses frühe Konzert seinen besonderen Charme behalten.
Eigenwillig und ausgereift zeigen sich da die späteren Werke. Seine Hinwendung zur slowakischen Folklore lässt sich im Slovak Concerto Grosso Nr. 3 (für Violine, Cello und Orgel) oder den Miniaturen der Preludes for two Cellos (1995) nicht überhören. Aus dem Schatten der frühen Vorbilder heraustretend, findet er zu einer ganz persönlichen Auseinandersetzung mit der Musikgeschichte seiner Heimat: folkloristische Tonfragmente, verwoben mit rhythmischen Linien und überraschend expressiven Wendungen zu eigenwilligen Charakterstücken.
Auf den Programmen des heutigen Konzertbetriebs findet man TadeᚠSalva kaum; eigentlich schade, denn gerade die späteren Cellowerke haben nichts von ihrem Glanz eingebüßt. Vielleicht ebnet diese Aufnahme dem Slowaken den Weg auf die Programme nicht nur der kleinen Spezialensembles. Zu wünschen wäre es dieser Aufnahme allemal.
Markus Roschinski