Camille Saint-Saëns

Cello Concerto No. 1/Bacchanale/Symphony No. 1

Astrig Siranossian (Violoncello), Philharmonie Südwestfalen, Ltg. Nabil Shehata

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Alpha Classics
erschienen in: das Orchester 04/2022 , Seite 74

2021 war ein Saint-Saëns-Jahr im Gedenken an den 100. Todestag des französischen Komponisten, dessen Werk faszinierend vielfältig ist und der mit seiner Musik wahrlich die Epochen überspannte. So richtig populär ist er aber eigentlich nur durch den Karneval der Tiere geworden. Gut, zumindest auch die Orgelsinfonie, einige der Instrumentalkonzerte, die Oper Samson et Dalila und der Danse macabre haben sich im Repertoire gehalten.
Das Gedenkjahr – wie das ganze Musikleben lange durch die Pandemie getrübt – brachte zumindest im deutschsprachigen Raum leider nur wenige prägende Initiativen zur Würdigung des Komponisten. Auch auf dem CD-Markt gab es nur eine Handvoll Editionen und Neuaufnahmen. Zu diesen gehört die vorliegende und ansprechende CD der Philharmonie Südwestfalen, die im Januar 2021 in Siegen aufgenommen wurde. Sie verbindet zwei gängige Werke des Meisters mit einem wenig bekannten Stück. Zwischen dem gerne gespielten ersten Cellokonzert und dem Bacchanale aus der Oper Samson et Dalila ist die erste Sinfonie op. 2 zu hören, ein Frühwerk des damals 17-Jährigen. Doch dieses Werk ist erstaunlich reif in der formalen Sicherheit und der weit gespannten Ausdruckswelt – dazu bietet es Musik von großer Anmut und Schönheit.
Diese Tugenden werden bei der Einspielung durch die Philharmonie Südwestfalen unter Leitung ihres seit 2019 amtierenden Chefdirigenten Nabil Shehata überzeugend zur Wirkung gebracht. Das Orchester spielt kultiviert und mit einem homogenen Gesamtklang. Es ist in allen Registern gut besetzt. Nabil Shehata, der unter anderem Assistent bei Daniel Barenboim war, lässt die Musik des jungen Saint-Saëns natürlich fließen und trifft den Ton und die Atmosphäre des lauteren Werks sehr genau. Superb gelingt der ausdrucksvolle langsame Satz, während das hymnische Finale effektsicher, aber ohne Bombast erklingt. Mit Feuer, Elan und effektvoll eingesetzten Klangfarben überzeugt die zündende Wiedergabe des Bacchanales aus Samson et Dalila.
Die junge französische Cellistin Astrig Siranossian begeistert als Solistin im a-Moll-Cellokonzert op. 33 durch ihr technisch untadeliges und eminent klangschönes Spiel, das vor allem die kantablen und lyrischen Seiten des Stücks bestens zur Wirkung bringt. Das heißt mitnichten, dass sie nicht auch eine Virtuosin von Rang ist, die selbst in den allerhöchsten Lagen noch einen herrlichen Ton pflegt. Das Schöne an dieser Wiedergabe, bei der Siranossian einfühlsam von dem Dirigenten und dem Orchester begleitet wird, ist denn auch das Nachempfinden der Form des im Grunde fünfteiligen Konzerts in einem Satz. Die unterschiedliche Stimmung der einzelnen Teile ist deutlich zu spüren, weil das Musizieren nicht auf äußerliche Show aus ist, sondern sich ganz auf die Musik und ihre Ausdruckswelt konzentriert.
Übrigens: Astrig Siranossian und Nabil Shehata, der unter anderem Kontrabassist bei den Berliner Philharmonikern war, spielten beide in Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra.
Karl Georg Berg