Werke von Le fils Sainte-Colombe, John Dowland, Marin Marais und anderen

Cello 360

Christian-Pierre La Marca (Cello)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naïve
erschienen in: das Orchester 04/2021 , Seite 71

Der Titel Cello 360 verheißt Weltumspannendes, und in der Tat vernehmen wir ein Pan-Akustikum, das von Gambenmusik des 17. Jahrhunderts über Werke des Barock bis ins 20. und 21. Jahrhundert reicht, Film- und Popmusik inklusive. Am Ende steht Timeless, eine Melange aus Cellokantilenen und Elektro-Pop, die – brandaktuell – während des Corona-Lockdowns entstanden ist.
Dies alles wird dargeboten auf einem Cello, doch dank des Mehrkanal-Aufnahmeverfahrens hören wir Christian-Pierre La Marca bisweilen in multipler Form. Gemäß La Marcas Devise, mit Wahrnehmungen und Hörerwartungen spielen zu wollen, erklingen die Stücke nicht in chronologischer Folge, sondern in schwindelerregenden Sequenzen: Auf Casals’ Cant des Ocells folgt Dutilleux, dann sofort Purcell, Ligeti, Marin Marais. Zwischen den Zeitgenossen Thierry Escaich und Giovanni Solima vernehmen wir – einziger Ausflug in die Romantik – Griegs „Solveigs Lied“.
La Marca gehört zur Elite der jungen französischen Cellisten. Cello 360 zeigt, dass ihn fulminante Technik, Stilgefühl und ein traumhaftes Vuillaume-Cello dazu befähigen, alte Musik – die er in 415-hz-Stimmung und mit Barockbogen spielt – wie auch Werke der Moderne eindrucksvoll vorzutragen. Doch was vermag dieser Mix uns darüber hinaus mitzuteilen? Gibt es Verbindendes, abgesehen davon, dass La Marca die Stücke wirklich sehr gut „kann“?
Gerhard Anders