Rampe, Siegbert

Carl Philipp Emanuel Bach und seine Zeit

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber
erschienen in: das Orchester 12/2014 , Seite 66

Als Carl Philipp Emanuel, der zweitälteste Sohn von Johann Sebastian Bach, 1788 starb, galt er längst als ein „Originalgenie“, das die musikalische Sprache des 18. Jahrhunderts entscheidend geprägt hatte. Carl Philipp Emanuel stand dabei keineswegs im Schatten seines Vaters, ganz im Gegenteil: Wer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Namen Bach nannte, meinte ihn. Dreißig Jahre in den Diensten von König Friedrich II. von Preußen, dann ab 1768 Nachfolger von Georg Philipp Telemann in Hamburg, das sind die wichtigsten Stationen in seinem Leben. Er galt als der Prototyp des modernen Komponisten, hatte mit seiner Schrift Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen eine bis heute lesenswerte Unterweisung im Instrumentalspiel verfasst. Haydn, Mozart und Beethoven schätzten seine Kompositionen sehr. Nach seinem Tod geriet er allerdings schnell in Vergessenheit. Bis heute zählt er noch immer zu den Komponisten, die es zu entdecken gilt.
Todes- oder Gedenktage sind noch immer wirksame Rezeptionsfilter und „Wahrnehmungsbeschleuniger“. Zum 300. Geburtstag hat Siegbert Rampe eine exzellente Monografie über Carl Philipp Emanuel Bach vorgelegt, die in der Reihe „Musiker in ihrer Zeit“ erschienen ist. Rampe stellt den aktuellen Stand der Bach-Forschung so umfangreich und grundlegend dar, dass er – emphatisch formuliert – eigentlich nur anzuzeigen ist, und nicht auf erforderlichem Rezensionsniveau zu diskutieren. Rampe entdeckt eine Anzahl von unglaublich interessanten Bezügen und räumt dabei mit einer Reihe von trüben und schiefen Vorurteilen auf, die Carl Philipp Emanuel Bachs Werke u. a. den Stempel „Vorklassik“ aufdrücken.
Nach einem Vorwort werden in der in dieser Reihe üblichen Chronik in sechs umfangreichen Kapiteln wichtige Aspekte ausführlich beleuchtet, darunter natürlich die Biografie sowie die Zeit von Bachs Anstellung bei Friedrich dem Großen und seine Zeit als Musikdirektor in Hamburg. Das Kapitel „Clavierinstrumente“ liefert nicht nur eine profunde Darstellung der Entwicklung der Tasteninstrumente, sondern auch spannende Hinweise zum Verhältnis Instrument und Komponieren. Das Gleiche gilt auch für das Kapitel „Unter Dichtern und Denkern“, in dem u.a. die Bedeutung von Bachs Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen kenntnisreich untersucht wird. Die Betrachtung des Verhältnisses zwischen Johann Joachim Quantz und Carl Philipp Emanuel Bach zeigt, wie intensiv die gegenseitige Beeinflussung war, und dürfte zu einer Neubewertung der Beziehung dieser beiden Komponisten und Instrumentalpädagogen zueinander führen.
Auch eine Darstellung der Rezeptionsgeschichte fehlt nicht. Ein umfassendes Literaturverzeichnis, ein Register – leider nicht immer üblich bei dieser Reihe –, das einen schnellen Zugriff auf bestimmte Themen und Werke erlaubt, sowie zahlreiche Bilder und Notenbeispiele machen diesen vorzüglich edierten Band zu einem profunden Beitrag zur Bach-Forschung und zu einem unentbehrlichen Handbuch.
Michael Pitz-Grewenig