Theresa Henkel

Carl Banck und die Musik­kritik in Dresden 1846-1889

Regensburger Studien zur Musik­geschichte, Bd. 16

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: ConBrio
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 67

Nachdem man das Thema „Musikkritik“ von Seiten der Musikwissenschaft lange geflissentlich ignoriert hat, finden sich in jüngster Zeit doch erfreulich häufig Ansätze, auch diesen Sektor des öffentlichen Musiklebens eingehender zu untersuchen, um hieraus Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen Komponisten, Interpreten und ihren Adressaten, also dem „Publikum“, zu gewinnen. Wobei die in Zeitungen erscheinenden Rezensionen durchaus Rückschlüsse auf den jeweiligen Zustand des Musiklebens am Erscheinungsort ziehen lassen.
Einen Glücksfall für die Forschung stellt die Person des Dresdner Kritikers Carl Banck dar, weil dieser über mehr als vierzig Jahre hinweg als Rezensent tätig war und man allein schon in seiner Person eine Konstante findet, von der aus man andere Parameter bequem in Vergleich setzen kann. Dies tut die Autorin in ihrer 2019 von der Universität Regensburg angenommenen Dissertation, um darin den Stellenwert auszuloten, den die Kritik im Laufe des 19. Jahrhunderts erreichte. Nachdem die Autorin zuerst biografische Notizen über Carl Banck zusammenträgt, der in jungen Jahren zunächst dem Schumann-Kreis angehörte, zeitweise Mitherausgeber der 1834 von diesem gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik war und sich – nach einigen „Wanderjahren“ – ab 1846 dann dauerhaft in Dresden niederließ, wird das historische wie geistesgeschichtliche Umfeld beleuchtet, aus dem heraus er seine kritische Tätigkeit in über 2000 Texten entfaltete. Daraus eine aussagekräftige Auswahl zu treffen, bedeutet an sich schon eine Menge Arbeit, und Henkel ist es dabei gelungen, anhand einer Konzentration auf Kritiken zu Werken bestimmter wichtiger Komponisten gewisse Grundzüge der Ansichten und der Arbeitsweise Carl Bancks aufzuzeigen, die vielleicht typisch für die Art und Weise ist, wie zu dieser Zeit überhaupt das Rezensentenwesen zumindest im deutschen Raum gehandhabt wurde. Im speziellen Fall von Banck kommt hinzu, dass dieser auch als schöpferischer Musiker, insbesondere als Liedkomponist aktiv war und selbst eine Vielzahl von Werken hinterließ, die seinerzeit durchaus erfolgreich aufgenommen wurden. Somit stammte sein Urteil vom „Fachmann“, was sich aber bei der Besprechung von sinfonischer Musik (hier von Beethoven, Berlioz, Liszt, Brahms und Wagner) nicht in der Weise äußert, dass Banck sozusagen als „konkurrierender“ Autor aufgetreten wäre. Aus den Besprechungen neuer Werke geht zudem hervor, dass er sich auch durch Partiturstudien auf die Aufführungen vorbereitet haben muss und sich nicht nur auf den Höreindruck derselben verließ.
Insgesamt macht die Arbeit in ihrer zweckmäßig gegliederten Anlage einen recht positiven Eindruck. Einige orthografische Fehler gehen wohl aufs Konto eines nachlässigen Lektorats, aber das nimmt man im Zuge des durchweg gut lesbaren Textes, der seinem Thema ein facettenreiches Bild der damaligen Situation abgewinnt, in Kauf.
Gunter Duvenbeck