Katzer, Georg

Cahier 1 excursions

für Klarinette in B (Es ad lib.) und Klavier, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Gravis, Brühl 2013
erschienen in: das Orchester 11/2014 , Seite 70

Georg Katzer, Jahrgang 1935, ist in der DDR aufgewachsen und
hat in Berlin bei Rudolf Wagner-Régeny, Ruth Zechlin und dann auch bei Hanns Eisler und Leo Spies Komposition studiert. Er war seit 1962 als freischaffender Künstler tätig, wurde 1978 Mitglied der Akademie der Künste der DDR und erhielt 1987 eine Professur. In seinem Schaffen findet die Kammermusik einen großen Stellenwert.
In einem Aufsatz schreibt er einmal, dass die Komponisten „heute in einem quasi entgrenzten Hörraum arbeiten“. Dieses Phänomen zeigt sich auch ansatzweise in seiner Komposition excursions für Klarinette und Klavier aus dem Jahr 2011. Katzer verwendet im Klarinettenpart alle gängigen neuen Spieltechniken, fordert aber darüber hinaus auch speziellere, vorwiegend geräuschhafte Klangereignisse. Der Klavierpart wird durch das Spielen im Innern des Korpus und durch Schlagzeugeffekte am Korpus selbst erweitert.
Das formale Konzept der excursions basiert auf einer Abfolge immer neuer modellhafter Gestalten, die häufig kontrastiv angeordnet sind. Sie sind klar profiliert: So trifft die Linearität einer Vierteltonfolge auf Arpeggien im Klavier; intensive kurze Klarinettentöne werden mit harten Klavier-Clustern kombiniert. Rhythmisch konturierte Zentraltöne begleiten melodische Floskeln. Emotionale Ausbrüche äußern sich in der Kombination und im Ineinandergreifen von sprunghafter, weit ausgreifender Melodik und überblasenen Tremoli in der Klarinette mit perkussiven Klavierkorpus-Effekten unterschiedlicher Klangart und Cluster-Akkordschlägen.
Im Gegensatz dazu stehen durchsichtig gehaltene Abschnitte von zarter Klanglichkeit, wenn Vierteltöne der Klarinette mit gezupften Klaviersaiten zusammentreffen oder Klaviersaiten im Diskant durch das zielgerichtete Blasen der Klarinette in das Flügelinnere in Schwingung versetzt werden. Empfindsamkeit entsteht auch, wenn der Zerbrechlichkeit von Multiphonics Saitenglissandi und resonierende, stumm angeschlagene Akkorde des Klaviers unterlegt werden. Der letzte, etwas ausgedehntere Abschnitt führt im Klavierpart in die höchste Diskantlage. Dementsprechend kann ad libitum auch ein Klangfarbenwechsel durch die Verwendung einer Es-Klarinette erfolgen.
Georg Katzers Cahier 1 excursions überzeugt durch die formale Klarheit und die vielfältige subtile und durchsichtige Klanggestaltung, die durch den Verzicht auf Überfrachtung ihre besonderen Qualitäten hat.
Der Druck der Ausgabe ist verbesserungsbedürftig: Im Klavierpart werden die Dynamikangaben unnötigerweise in beiden Systemen vorgenommen, während diese bei der Alternativfassung des Klarinettenparts am Schluss nur unter der B-Klarinetten-Stimme stehen anstatt zwischen den beiden Notensystemen. Außerdem gibt es verrutschte Pausenzeichen und einige nicht erkennbare Punktierungen. Die Lesbarkeit einiger komplexer Akkorde wird durch zu weit entfernt stehende Vorzeichen erschwert.
Heribert Haase