Norbert Trawöger
Bruckner!
Journal einer Leidenschaft
Als kompositorischer Außenseiter und Sonderling ist der Österreicher Anton Bruckner (1824–1896) in die Musikgeschichte eingegangen. Der einfache und gottesfürchtige Mann wird zeitlebens von der Musikkritik, der Kulturschickeria und besseren Gesellschaft in Wien, wo die Musik spielte, als hinterwäldlerisch belächelt, geschnitten und letztlich abgelehnt – ungeachtet seines Talents. Er sei „halb Genie, halb Trottel“, lautete das Urteil von Hans von Bülow, dem ersten Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker. Heute sieht man in Bruckner unwidersprochen einen der größten Komponisten des 20. Jahrhunderts.
Ein bedingungsloser, von biografischen Eigenheiten unbeeinflusster Fan Anton Bruckners war von Kindheit an Norbert Trawöger. Im Alter von acht Jahren wurde der heute 52-jährige Autor und im Musikbetrieb Tätige von Bruckner nach eigenen Angaben regelrecht elektrisiert. Heute, über 40 Jahre nach seiner frühkindlichen Heimsuchung und mit einer inzwischen enorm angewachsenen Kennerschaft, widmet der laut Klappentext „gestaltende Musiker“ Trawöger seinem Idol eine angemessene Biografie. Er bezeichnet sie als „Journal einer Leidenschaft“. „Bruckner“, den schlichten Titel seines Buches, versieht er folgerichtig mit einem Ausrufezeichen. „Wer beim Finale der 8. Symphonie von Bruckner nicht den Kopf verliert, der oder dem ist nicht zu helfen oder die oder der hat nur nicht laut genug aufgedreht.“ Das ist Trawögers besonderer, launiger Schreibstil, der einen von Anfang an ins Buch hineinzieht. „Ein Werk sollte nie mit seinem Schöpfer, seiner Schöpferin verwechselt werden“, schreibt er.
Und so bedient sich der Landsmann Bruckners eines charmanten Einfalls: Er schreibt liebevolle und gleichzeitig kundige Briefe an den „hochwohlgeborenen Herrn Doctor Bruckner!“ „Einen Brief an einen Toten zu verfassen, ist eine eigenartige Sache, aber mir ist danach, da ich mich Ihnen schon fast Zeit meines Lebens immer wieder zuwende“, schreibt Trawöger.
Die Briefe führten „in die Umlaufbahn“ seiner Fantasie, warnt er. Dabei ist sein Stil verspielt und angenehm zu lesen. Quasi nebenbei erfährt man Wissenswertes über Bruckner und seine Musik – und (manchmal etwas selbstverliebt) auch über den Autor selbst – herbeigeholte Parallelen zum Komponisten eingeschlossen. So schreibt er über Bruckners Geburtsort Ansfelden, dass 147 Jahre später auch er in diesem Landstrich das Licht der Welt erblickt habe. Das ist legitim, ist das Buch doch aus der Ich-Perspektive verfasst. So erfahren wir unter anderem auch: „Ein Zufall, eine Fügung hat mich 2017 in das Leitungsteam des Bruckner Orchesters Linz geführt, dessen Künstlerischer Leiter ich seit März 2019 bin.“
Christina Hein