Werke von Maurice Ravel, Philip Lasser und George Gershwin

Broadway-Lafayette

Simone Dinnerstein (Klavier), MDR Sinfonieorchester Leipzig, Ltg. Kristjan Järvi

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Classical 88875032452
erschienen in: das Orchester 07-08/2015 , Seite 76

Die französisch-amerikanischen Beziehungen, wie sie hinter dem Motto dieser CD stehen, das die New Yorker Musical-Straße und den Marquis de Lafayette nennt, der ab 1777 die amerikanischen Siedler im Kampf gegen die Briten mit seinen Truppen unterstützte, hat noch eine andere Seite. Denn Frankreich löste um 1917 Deutschland wegen des Kriegs als Vorbild für die USA auch in der Musik ab. Fortan studierten amerikanische Komponisten nicht mehr in Berlin, Leipzig oder München, sondern in Fontainebleau bei Nadja Boulanger.
Simone Dinnerstein kombiniert in ihrem Album Werke von Maurice Ravel und George Gershwin auch aus weiteren Gründen und nicht etwa zufällig: Der Franzose hörte 1928 auf einer Amerika-Tournee die Rhapsodie in Blue des New Yorkers und ließ die Erinnerung daran im ersten Satz seines G-Dur-Klavierkonzerts anklingen. Zudem stellt die amerikanische Pianistin ein Werk ihres Instrumentenkollegen Philipp Lasser in den Mittelpunkt, eines Komponisten, der Sohn einer französischen Mutter und eines amerikanischen Vaters ist.
Der Kopfsatz von Ravels 1932 im Dirigat des Komponisten uraufgeführtem Konzert wird hier als das geboten, was er zu sein hat: ein Virtuosenstück für Solist und Begleitensemble gleichermaßen. Dinnerstein und das Sinfonieorchester des MDR Leipzig unter dem in den USA aufgewachsenen Esten Kristjan Järvi, seit 2012 als Chefdirigent um die Modernisierung dieses ältesten deutschen Rundfunkorchesters bemüht, setzen das „Allegremente“ blendend um. Das „Adagio assai“ – Mozarts Klarinettenquintett von 1789 soll gleichsam Pate gestanden haben – markiert einen lyrischen Ruhepunkt, bevor das „Presto“ als Finale wiederum vital mit brilliant flirrenden Läufen mitreißt.
Gershwins Rhapsodie in Blue, als erstes seiner Werke die Verbindung von Jazz und konzertanter Musik suchend und übrigens in Konzerten nicht selten mit dem Ravel-Konzert zusammengespannt, gibt der Virtuosin vor allem in den unbegleiteten Solopassagen weitere Gelegenheiten zu glänzen.
Philip Lasser, 1963 in New York geboren, betitelt sein Konzert The Circle and the Child, er beschreibt es als „Reise nach innen“. Auch er ist ein Amerikaner, der – schon mit 16! – in Fontaine­bleau studierte; allerdings war Boulanger da bereits hochbetagt gestorben. Schon im sehr maßvoll kontrastreichen Kopfsatz „Poco Allegro“ stellt er sich als Fortführer der romantischen Tradition vor. Da sind kaum Spuren der Moderne und schon gar nicht der Avantgarde zu erkennen. Vielmehr sagt Lasser, dass „im Kern des Konzerts“ Bachs Choral Ihr Gestirn’, ihr hohen Lüfte stecke. Tatsächlich nennt er den romanzenhaften langsamen zweiten Satz auch „Chorale and Child“. Aus dieser Aura entfaltet sich auch der Schlusssatz „Circles“, in dem ans „Poco Allegro“ anklingende feinherbe Nuancen wieder auftreten. Das gefällige Werk dürfte bei jedem Konzertpublikum Anklang finden. Und für seine Pianisten-Kollegen, vielleicht auch für sich selbst, hat er das Repertoire um ein attraktives Stück erweitert.
Günter Buhles