Johann Sebastian Bach

Brandenburg Concertos

Concerto Köln

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics 0300593BC
erschienen in: das Orchester 02/2015 , Seite 74

Die Zahl der Einspielungen der sechs Brandenburgischen Konzerte ist so hoch, dass man sie kaum zählen kann. Und die Pole, zwischen denen sie sich bewegen, liegen weit auseinander. Es seien nur als markant-kontroverse Eckpunkte die historischen Dokumente unter der Leitung von Karl Richter oder Herbert von Karajan im philharmonisch-altertümlichen Gewand der Nachkriegszeit oder die historisch orientierten Annäherungen eines Trevor Pinnock oder eines Nikolaus Harnoncourt genannt.
Was also spricht für eine weitere Neueinspielung? Zunächst naheliegenderweise das Bedürfnis der Musiker, sich auch im Studio mit diesen Meilensteinen ihres Repertoires auseinanderzusetzen – man möchte seine kontinuierlichen Bemühungen schließlich dokumentarisch festhalten. Zum Zweiten ist natürlich jedes hochrangige spezialisierte Ensemble der Überzeugung, dass es der Interpretationsgeschichte dieser Werksammlung (sie ist kein Zyklus!) neue Aspekte hinzufügen kann – im Sinne individueller Unverwechselbarkeit.
Das Neue der vorliegenden Aufnahmen liegt in erster Linie in der Auswahl der eingesetzten Instrumente. Wie im Beiheft zu lesen ist, hat der Fagottist Lorenzo Alpert hierfür einige gewichtige Aspekte beigesteuert, etwa die Auswahl der Solo-Trompete (in F) im 2. Konzert, abgestimmt auf die gewählte (tiefe) Stimmung mit dem Kammerton von 392 Hz. Darüber hinaus machte er sich Gedanken über die ungewöhnliche Vorgabe zweier „Flauti d’Echo“ im 4. Konzert, für die eigens zwei originelle Doppelflöten (re-)konstruiert wurden, mit deren Hilfe man Echoeffekte auf einem einzigen gespielten Instrument erzeugen kann.
Das mag alles ein wenig akademisch anmuten, doch wie klingt das aufgezeichnete Ergebnis tatsächlich? Man hört die angepeilten Effekte durchaus, doch sie sind bei Weitem nicht so spektakulär wie erwartet. Insgesamt fügen sich die Aufnahmen überraschend unauffällig in die lange Reihe historisch orientierter Interpretationen ein: mit hoher Virtuosität, straffen Tempi in den Ecksätzen und mit weitgehend vibratolosem Bemühen um Expressivität in langsamen Sätzen. Überraschen mag bisweilen eine gewisse neo-barocke Motorik in schnellen Sätzen, wie man sie noch aus der frühen zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts im Ohr hat. Und auch die ausdrücklichen Überlegungen zur Auswahl der verschiedenen Cembali – einmanualig für die Continui, zweimanualig für die Soli im 5. Konzert – sind zwar plausibel, doch leidet vor allem der groß angelegte virtuose Solopart des 5. Konzertsuspekts (wie in fast allen Vergleichsaufnahmen) trotzdem an der gleichsam „naturgegebenen“ akustischen Unterbelichtung des Cembalos.
Insgesamt gesehen (und gehört) liegt hier eine hochwertige, technisch gut ausgesteuerte, aber nicht so einzigartige Einspielung vor, wie vielleicht zu erwarten wäre. Auf jeden Fall aber stellt das renommierte Concerto Köln ein weiteres Mal sein Können und seine Stilsicherheit überzeugend unter Beweis.
Arnold Werner-Jensen