Beatrix Borchard/Kerstin Schüssler-Bach (Hg.)
Brahms-Studien
Bd. 18, Veröffentlichungen der Johannes-Brahms-Gesellschaft
Vielfältige Aspekte zum Werk und Umfeld von Johannes Brahms enthält der neueste Band der Brahms-Studien, der in vierzehn umfangreichen Essays auch Unbekanntes zu Tage fördert.
Der einleitende Beitrag „Brahms dirigieren“ von Michael Musgrave und Roger Norrington ist die überarbeitete Fassung eines 1999 erschienenen Textes, der jetzt die Erfahrungen, die Norrington mit der historisch informierten Aufführungspraxis gewonnen hat, reflektiert. Ein anderer Dirigent, Uroš Lajovic, beschäftigt sich mit den Tempo-Relationen in den Haydn-Variationen. An einer detailgenauen und tiefgründigen Analyse des Liedes Unbewegte laue Nacht op. 57 Nr. 8 zeigt der Komponist Johannes Borowski die Doppeldeutigkeit als kompositorisches Prinzip auf. Die Werkgeschichte von Nänie op. 82 wird umfassend von Gudrun Jalass dargestellt. Michael Schwalb weist das Melodiezitat „Nimm sie hin denn, diese Lieder“ aus Beethovens An die ferne Geliebte im Klaviertrio op. 8 und bei anderen romantischen Komponisten nach und entschlüsselt die dahinterstehende geheime Botschaft. Den verschollen geglaubten Handschriften von Orchesterfassungen zweier Schubert-Lieder hat Renate Moering nachgespürt. Die Bearbeitung der Ungarischen Tänze Nr. 5 und 6 für 2 Singstimmen und Klavier durch die berühmte Sängerin Pauline Viardot erläutert Marvin J. Rehr und vergleicht dabei Original und Bearbeitung. Die Rezeption des ersten Klavierkonzerts im Umfeld der Uraufführung und den Umgang mit der Kritik führt die Herausgeberin Beatrix Borchard aus.
Auch wenn Brahms kein Mann der vielen Worte war, so erweitern Briefwechsel oder andere schriftliche Notizen die Kenntnisse über die Persönlichkeit des Komponisten. Der Musikschriftsteller Louis Ehlert war Brahms durch die gemeinsame Liebe zu Schumann und auch durch die Ablehnung der „Neudeutschen“ sehr verbunden. Der Briefwechsel mit ihm wird von Lea Simon und Marika Henschel komplett dokumentiert, während Michael Struck diverse unbekannte Briefe bekannt macht. Die in Detmold begründete Freundschaft mit dem Hofkapellmeister und Geiger Carl Louis Bargheer rechtfertigt eine Darstellung der Vita und des unbekannten kompositorischen Schaffens des Brahms-Freundes, dessen Liedschaffen Kostadin Delinikolov ins Zentrum seiner Abhandlung stellt. Ein unbekannter Gönner, Adolph Behrens, der Brahms in seinem Testament mit einer großen Summe bedachte, erfährt von Enzo Maaß seine verdiente Würdigung und Tobias Niederschlag stellt die Anfänge der Brahms-Pflege in Dresden vor. Wie das „Musizieren mit dem Körper“ gelingen kann, wird von Anne do Paço am Beispiel von zwei Choreografien zur Musik von Brahms erklärt.
Berichte aus der Arbeit der Brahms-Institute, die große Fortschritte bei der Digitalisierung verzeichnen, und Rezensionen zu wichtigen Buch- und CD-Neuerscheinungen ergänzen den mit Notenbeispielen und Fotos gut ausgestatteten und sorgfältig edierten neuen Band der Brahms-Studien. <
Heribert Haase