Werke von Haas, Janácek, Foerster und Zemlinsky

Bohemia

Acelga Quintett

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 12/2017 , Seite 70

Mit einem mutigen Programm präsentiert sich das Acelga Quintett, das mit dem Gewinn des 3. Platzes beim renommierten ARD-Musikwettbewerb 2014 auf sich aufmerksam machte, auf seiner Debüt-CD. Vier weniger im Blickpunkt stehende, anspruchsvolle Werke der Bläserquintett-Literatur böhmischer Provenienz aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben die fünf Mu­siker für ihre erste CD ausgewählt.
Sie beginnen mit einer sehr intensiven Interpretation des Bläserquintetts op. 10 aus dem Jahr 1929 von Pavel Haas, der auch den Einsatz von Piccoloflöte und Es-Klarinette verlangt. Das Quintett hebt mit einem klagenden Ton an, der die expressive Melodik des ersten und auch zweiten Satzes durchzieht. Die Individualität der Instrumente und die spieltechnische Brillanz kommen in vielen Solopartien zur Geltung, sodass die Ensemblemitglieder gleich Gelegenheit haben, ihre großen Qualitäten unter Beweis zu stellen. Ebenso in den fast sarkastisch anmutenden Staccato-Partien von Fagott und Klarinette zu Beginn des dritten Satzes, der mit „Ballo eccentrico“ überschrieben ist. Der vierte Satz kehrt im Ausdruck mit choralartiger Satztechnik zum Anfang zurück.
Dass die Tonsprache von Pavel Haas von seinem Lehrer Leoš Janá­cek beeinflusst ist, kann man an der nachfolgenden Komposition Mládí-Suite für Bläsersextett aus dessen Fe­der erkennen. Er verstärkt das Quin­tett um die Bassklarinette und verarbeitet darin Erinnerungen an die Ju­gend, ohne dabei programmatische Satztitel zu verwenden. Aus einer früheren Komposition hat Janácek im dritten Satz den Marsch der Blau­kehlchen einfließen lassen und damit auf die blau gekleideten singenden Klosterschüler und auf das Kriegsjahr 1866 angespielt. Die Musik Janá-
ceks hat einen eigenen, vom tschechischen Sprachduktus geprägten Tonfall und ein schnell wechselndes, weites Ausdrucksspektrum, das vom Acelga Quintett und der Bassklarinettistin Anne Scheffel mit großem Einfühlungsvermögen, partiturgetreuer Dynamik und makellosem Zusammenspiel ausgekostet wird.
Der ausgewogene Ensembleklang und die homogene Tongebung kommen der Interpretation des viersätzigen Quintetts von Josef Bohuslav Foerster von 1909 zugute, dessen Werk der Spätromantik verpflichtet ist, durch die Kürze der Sätze der Gefahr der Weitschweifigkeit aber entgeht. Einfallsreich und mit einigen Überraschungen im Harmonischen ist das Scherzo gestaltet, das auch den Interpreten einiges an Geläufigkeit abverlangt. Der Schlusssatz beginnt mit einer gewichtigen Einleitung, löst sich aber schnell davon und bleibt mit einer Vielzahl von Ideen, darunter einem Fugato, kompositorisch nur sehr locker geformt. Die ganze dynamische Bandbreite und musikantischen Schwung entfalten die Flötistin Han­na Mangold, der Oboist Sebastian Poyault, der Klarinettist Julius Kircher, die Hornistin Amanda Kleinbart und die Fagottistin Antonia Zimmermann noch einmal in der Humoreske von Alexander Zemlinsky. Ein vielversprechendes Debüt.
Die Aufnahmetechnik ist sehr direkt und erzeugt einen eher kompakten als transparenten Klang, der verschiedentlich an die Grenzen des Kammermusikalischen stößt.
Heribert Haase