Müller-Steinbach, Wolfgang
Bläsersextett
(1990) für Flöte, Oboe, Klarinette in B, Bassklarinette in B, Horn in F und Fagott, Partitur und Stimmen
Wie ein roter Faden zieht sich das stete Wachstum durch dieses Werk. Dabei zeigen auch die ersten megakurzen Musikskizzen schon die Klangfülle eines Holzbläsersextetts. Durch die Besetzung mit Klarinette und Bassklarinette bzw. zwei Klarinetten entsteht eine solide Mitte, der Fagottist hat auch das Kontrafagott zu spielen und sorgt so für verstärkte Basswirkung. Das Horn darf in keinem Holzbläsersextett fehlen, die Oboe setzt sich auch ohne Nebeninstrument durch die Flöte lässt zusätzlich das Piccolo blitzen. Saubere Technik, blitzblanke Ablösungen und die präzise Einhaltung der Dynamik vorausgesetzt ist dieses Stück ein für Musiker und Zuhörer spannendes Kleinod in nicht alltäglicher Besetzung. Ganz neue Klänge, ungewöhnliche Spieltechniken und effektvolle Verblüffung vermeidet der Komponist jedoch.
Der erste Satz ist gerade einen Takt lang und kitzelt mit Klarinettendissonanz und kurzem Tuttiachtel als Schlusston. Kaum hat er begonnen, ist er schon wieder vorbei. Das Fagott beginnt den zweiten Satz mit langem Ton, den es über fast drei Takte, also bis zum Ende, hält. Bassklarinette und Horn singen darüber wenige Töne, Piccolo, Oboe und Klarinette werfen unisono drei Achtel ein. Im dritten Satz vermehren sich auch die Schläge pro Takt. Zuerst ein Achtel, dann zwei Achtel, bis am Ende dann fünf Viertel im Kontrafagott (fliegende Instrumentenwechsel zwischen den Sätzen sind immer wieder notwendig) den Satz beenden. Das Geflecht der Töne ist filigran, delikat solistisch.
Der vierte Satz beginnt mit Achteln im Fagott, die zwar ohne Taktangabe, aber durch gestrichelte Linien strukturiert werden. Die Flöte streut teils mit tiefem E im Piano ein bisschen Zuckerguss drüber, die Oboe darf ein paar Mal zwei gebundene Achtel als melodisches Element einstreuen. “Molto Allegro” geht es in den fünften Satz. Im Fortissimo ziehen sich Sextolengruppen, denen die erste fehlt, hindurch. Müller-Steinbach gestattet hier immerhin 15 Takte, bremst aber durch lange Töne allzu wildes Treiben aus. Noch.
60 Takte lang ist der sechste Satz, und seine “nicht zu ruhigen” punktierten Halben sorgen für stete Bewegung unter den immer wieder einsetzenden Kantilenen, die in der Flöte an ein Zitat aus Guten Abend, gut Nacht erinnern. “Sehr schnell” startet der siebte Satz, ordentlich im Dreivierteltakt notiert. Piccolo, Oboe und Klarinette werfen fröhliche Achtel ein. Die Abfolgen werden dichter, zwischendrin schwirren Sechzehntel durch alle Stimmen: 52 Takte Spielfreude. “Äußerst rasch” lässt der Komponist den achten Satz 116 Takte lang fröhlich durch kleine Sechzehntelfiguren quirlen, leise angelegt, bis ein Crescendo in der Satzmitte ins Fortissimo führt. Der neunte Satz, “Molto Adagio”, zeigt leise dichte Klangflächen im Zehnachteltakt, von Vierteln und Achteln vor Stagnation bewahrt. Der zehnte Satz, “Allegro”, spielt mit Taktwechseln in kleinen vertrackten Figuren und wirkt mit seinen 147 Takten als fulminantes Ende. Klasse!
Heike Eickhoff