Pavel Haas

Bläserquintett op. 10

Urtext, hg. von Robert Simon, Studienpartitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel
erschienen in: das Orchester 5/2023 , Seite 67

Als Bärenreiter Urtext Ausgabe liegt nun Pavel Haas’ Bläserquintett op. 10 vor. Diese kritische Ausgabe des Bläserquintetts kommt als Stimmensatz mit zusätzlich erhältlicher Studienpartitur daher. Die Stimmen sind überlegt umbrochen und liegen gut auf dem Pult und in der Hand, die Partitur weist viele gut recherchierte und belegte Informationen auf.
Das Vorwort des Herausgebers Robert Simon ist in Englisch, Tschechisch und Deutsch abgedruckt und hat einige Literaturhinweise zur Vita und Musik des Komponisten zu bieten. Vor allem bietet es Informationen zur Uraufführung, Rezeption und zu späteren Aufführungen. Am Ende der Partitur steht der Kritische Bericht (Critical Report) zur vorliegenden Edition. Quellen, Unterschiede in verschiedenen Ausgaben und schriftliche Anmerkungen des Komponisten dazu werden in musikwissenschaftlich üblicher Weise angeführt.
Das Bläserquintett dauert eine gute Viertelstunde und umfasst vier Sätze. Der dritte Satz (Ballo eccentrico) bleibt am deutlichsten in Erinnerung: Die bodenständige Lebendigkeit des Satzes gefällt. Das Fagott beginnt mit seiner Achtelkette im Staccato, erst nach 16 Takten kommen weitere Artikulationen dazu, gegen Ende darf es mit der Oboe wenige Sechzehntel blasen – doch immer bleibt es für die gute Stimmung zuständig. Da in diesem Satz viele kleine musikalische Figuren häufig wiederholt werden, die Artikulationen sehr genau und kontrastreich angelegt sind, bleibt eine bunte Wirkung nicht aus. Jedoch ist er, wenngleich ein kleines Juwel für Holzbläser und Hornisten, eher hübsch als frech. Als vierter Satz folgt ein Epilogo: Breite ruhige Viertel tauchen zu Beginn in allen Stimmen auf, von Achteleinwürfen gewürzt. Immer wieder erfolgen kurz darauf sich wiederholende Achtelfiguren im Fagott und im Horn, auch die Sechzehntel gegen Ende kreisen immer um dasselbe Material. Der erste Satz (Preludio) lässt die Oboe mit einem liedhaft-simplen, aber eingängigen kleinen Motiv beginnen. Ebenso ruhig geht es in den zweiten Satz (Preghiera), in dem die Flöte anfängt.
Das vorgeblich Simple und Liedhafte, von Haas genau auf die Besetzung des Bläserquintetts zugeschnitten, zeichnet dieses schöne Werk in jedem Satz aus. Haas nutzt relativ wenig musikalisches Material, verwendet es aber immer äußerst geschickt. Jede Artikulation, jede Tempoänderung ist präzise vorgegeben. Virtuose Herausforderungen für die Bläser bietet das Werk nicht. Das gesamte Quintett, obwohl mehr als 90 Jahre alt, wirkt schlank und modern. Dabei steht es eher in der Tradition Janáčeks (Haas war sein Meisterschüler) als im Duktus der Wiener Schule um Schönberg. Obwohl ohne virtuose Passagen und expressive Effekte angelegt, ist dieses Bläserquintett ein wundervolles, handwerklich hervorragend gearbeitetes Werk.

Heike Eickhoff