Frank Michael
Bläserquartett Nr. 1 op. 7
(1963) für Flöte, Oboe, Klarinette in A und Fagott, Partitur und Stimmen
Diese Ausgabe kommt überraschenderweise mit sehr sauber handgeschriebenen Noten daher. Das Quartett entstand 1963 in den ersten Semestern des Kompositionsstudiums Frank Michaels in Frankfurt. Michael, ehemals Flötenlehrer an der Musikschule Müllheim und Dozent für Komposition an verschiedenen Musikhochschulen, nutzt in diesem vitalen Jugendwerk fröhlich die ganze Farbpalette der Besetzung Flöte, Oboe, Klarinette und Fagott.
Die Musik wirkt auch nach einem halben Jahrhundert noch frisch. Sie ist Spielliteratur vom Feinsten, die allerdings nicht für Anfänger geeignet ist. Die Tonsprache ist durchaus im 20. Jahrhundert verankert, aber unkonventionelle Spieltechniken, technische Bravourpassagen oder rhythmische Grenzgänge hat der damals erst 20-jährige Komponist genauso vermieden wie harmonische Experimente außerhalb der konventionellen Tonalitäten.
Ein Lamentoso eröffnet kraftvoll mit Ganzen und Vierteln, verebbt aber bald schon ins Pianissimo. Chromatisch schrauben sich Flöte und Oboe hinauf ins nächste Fortissimo, das abermals verebbt. Die Klarinette sorgt anschließend mit Sechzehntelketten für Bewegung, die Oboe setzt Synkopen gegen die Achtelmelodik der Flöte, das Fagott liefert den satten Bass. Später häufen sich die chromatischen Läufe zum sportlichen Getümmel. Etwas abrupt beendet Michael den Satz.
Das Bläserquartett weist die Form eines Kettenrondos auf, denn jedem neuen Satz folgt ein Intermezzo. Das Intermezzo I, der zweite Satz des Quartetts, folgt im flotten Tempo (120-140). Es umfasst nur 26 vitale Takte, wechselt ständig zwischen 6/8- und 5/8-Takt, setzt wieder auf die Kontrastwirkung von gebundener Chromatik zu Staccatiachteln. Intermezzo II folgt als vierter Satz und ist dem ersten Intermezzo ähnlich, doch darf jetzt die Oboe statt der Flöte beginnen. Intermezzo III folgt als sechster Satz, jetzt vom Fagott begonnen. Auch als achter Satz liegt wieder ein Intermezzo auf den Pulten, das kurze, markante Anfangsthema nun in der Klarinette Michael variiert immer wieder ehrgeizig das Material von Intermezzo I. Der dritte Satz (Grotesco) ist ein springlebendiges Ding mit vielen Vorschlägen und kurz eingeworfenen Achteln. Chromatische Läufe sind wieder zu finden, gebundene Achteltriolen in Oboen und Klarinette gegen Achtel im Fagott verleihen dem Satz Würze nicht unbedingt die originellsten Kniffe, aber durchaus reizvoll. Das Ende kommt turbulent und bunt daher.
Der fünfte Satz, Tranquilo, verwendet kleine Melodikbausteine, die teils übereinander gelegt werden. Chromatische Läufe und Einwürfe gehören wieder dazu, noch ist die Werkzeugkiste des damals jungen Kompositionsstudenten überschaubar bestückt. Mit Energico geht es im siebten Satz weiter. Achtel im Staccato und ein paar eher harmlose Synkopen zeichnen diesen Satz aus, doch setzt Michael sie so bewusst und feinmaschig, dass das Spiel im Quartett viel Spaß machen wird. Mit Sereno malinconico endet das Quartett bunt bewegt und unterhaltsam. Dieses Quartett ist gelebte Kammermusik, die sicher Freunde und Aufführungen finden wird.
Heike Eickhoff