Benjamin Britten
Billy Budd
Neil Shicoff, Bo Skovhus, Eric Halfvarson, Robert Bork, Wolfgang Bankl, Murray Dickie (Gesang), Chor der Wiener Staatsoper, Orchester der Wiener Staatsoper, Ltg. Donald Runnicles
Bei dieser vor einiger Zeit bei dem Label ORFEO herausgekommenen CD von Brittens Oper Billy Budd ist Anlass zum Schwärmen geboten – das musikalische und gesangliche Niveau ist recht hoch. Es handelt sich um eine Live-Aufnahme aus der Wiener Staatsoper vom 12. Februar 2001. Angesichts des ausgeprägten musikalischen Gehalts der Oper und seiner famosen Umsetzung durch Solist:innen, Dirigent und Chor verwundert es nicht, dass die Wiener Aufführungen von Billy Budd damals alle restlos ausverkauft waren. Wir haben es hier mit einer ungemein vielschichtigen, stringenten und ausdrucksstarken Musik zu tun, die Britten alle Ehre macht.
Besonders erwähnenswert ist zudem, dass hier nicht die gängige, 1961 erfolgte revidierte Bearbeitung Brittens in zwei Akten auf CD gebannt wurde, sondern die vieraktige Fassung der Uraufführung aus dem Jahre 1951. Diese ist um einiges länger, anspruchsvoller und interessanter als die Bearbeitung, die Britten 1961 aus Kulanz gegenüber seinem Freund und Lebenspartner Peter Pears, der in der Uraufführung den Kapitän Vere sang, vorgenommen hat. Pears fühlte sich insbesondere mit der großen Ansprache des Kapitäns überfordert und bat seinen Freund Britten um Streichung dieser Passage. Und es blieb nicht bei dieser einen Streichung. Auf den Bühnen ist meistens die Fassung von 1961 zu hören. Umso erfreulicher ist es, dass man hier endlich einmal das bemerkenswerte Original von 1951 zu hören bekommt. Eine Freude ist es, dem Dirigenten Donald Runnicles zuzuhören, der die musikalischen Strukturen von Brittens Werk einfühlsam herausarbeitet und trotz aller Dramatik an so mancher Stelle einen kammermusikalisch angehauchten Unterton mitschwingen lässt. Gekonnt arbeitet Runnicles zudem die Anklänge an die Szene des Großinquisitors aus Verdis Don Carlo heraus und wartet mit einer breiten Farbpalette auf.
Gesanglich bewegt sich die Aufnahme auf hohem Niveau. Neil Shicoff singt den Kapitän Vere mit wandelbarem, bestens italienisch fokussiertem und die eklatanten Klippen der Partie, wie die große Ansprache, mühelos bewältigendem Tenor. Ein stimmlich frischer, variabel und elegant singender Billy Budd ist Bo Skovhus. Mit prägnantem, kraftvollem Bass und rollengerecht maliziösem Ausdruck stattet Eric Halfvarson den Claggart aus. Robert Bork ist ein markant intonierender Redburn. Tadellos gibt Wolfgang Bankl den Mr. Flint. Solide klingt der Lieutenant Ratcliffe von David Cale Johnson. Zufrieden sein kann man ebenfalls mit John Dickies Red Whiskers. Vokal eindringlich gestaltet Alfred Sramek den Dansker. Die zahlreichen Nebenrollen klingen zum größten Teil ordentlich. Lediglich eine dünne Stimme ist zu hören. Ludwig Steinbach