Lutz, Markus
Besucherbindung im Opernbetrieb
Theoretische Grundlagen, empirische Untersuchungen und praktische Implikationen
Dieses Buch hat es in sich. Schließlich handelt es sich um eine Doktorarbeit, die versucht, mit wissenschaftlichen Methoden Antworten auf die Frage zu finden, warum Menschen ein Opernhaus immer wieder besuchen (oder eben auch nie) und welche Schlussfolgerungen man daraus in der täglichen Praxis eines Opernbetriebs ziehen kann. Über 500 Seiten erscheinen zunächst als Herausforderung. Der Umfang ist naturgemäß der Gründlichkeit einer wissenschaftlichen Arbeit geschuldet. Wer als Praktiker im Kulturbetrieb für Marketing und Kundenbindung zuständig ist, wird jedoch rasch die für ihn relevanten Passagen auffinden.
Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Besucherbindung aus Besuchersicht. Vier Forschungsfragen geben den Rahmen: Wie kann Besucherbindung definiert, konzeptualisiert und empirisch gemessen werden? Welche Einflussfaktoren führen zu einer Besucherbindung? In welche Segmente (Bindungs-Typen) lässt sich ein Opernpublikum aufteilen? Und schließlich: Was folgt daraus für das zukünftige Management der Besucherbindung?
In den ersten Kapiteln befasst sich der Autor zunächst mit konzeptionellen Grundlagen der Besucherforschung und -bindung, den aktuellen Rahmenbedingungen für Opernhäuser in Deutschland und den Grundlagen der Besucherbindung. Als aktuelle Herausforderungen werden u.a. die Verschlechterung der Finanzsituation der öffentlichen Träger, die Kostenintensität von Musiktheaterbetrieben, der steigende Legitimationszwang der öffentlichen Zuschüsse, die Erosion des Bildungsbürgertums, die Überalterung des Opernpublikums oder die Veränderungen in der Struktur und im Verhalten des Publikums benannt. Im vierten Kapitel werden der bisherige Forschungsstand zur Besucherbindung der Opernhäuser analysiert und Forschungslücken aufgezeigt, die mit dieser Dissertation geschlossen werden sollen.
Im Hauptteil des Buchs werden die einzelnen potenziellen Einflussfaktoren der Besucherbindung in Opernhäusern herausgearbeitet. Es geht um die Qualität der künstlerischen Produkte, um Service- und Begleitangebote, um die persönliche Ansprache von Besuchern, um Affinität und Identifikation mit einem Opernhaus. Anhand von Experteninterviews und einer qualitativen Vorstudie wurde ein Fragebogen entwickelt, der bei zwanzig Opernvorstellungen der Deutschen Oper Berlin, der Oper Frankfurt, der Oper Leipzig und der Bayerischen Staatsoper München an die Besucher verteilt und anschließend ausgewertet wurde. Auch auf dieser Basis ermittelt der Autor vier Bindungstypen von Besuchern: leidenschaftliche, serviceorientierte, sozial interagierende und traditionelle. Hieraus wiederum werden überzeugende Schlussfolgerungen gezogen, mit welchen strategischen Maßnahmen es zukünftig gelingen kann, die Besucherbindung in Opernhäusern nachhaltig zu stärken und weiter zu erhöhen. Fazit: ein komplexes, aber äußerst lesenswertes Fachbuch, auch für Verantwortliche in anderen Kulturbetrieben.
Gerald Mertens