Schumann, Schubert, Wagner und andere

Besser ohne Worte

Duo Tuba & Harfe (Andreas Martin Hofmeir, Andreas Mildner)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 04/2020 , Seite 75

Tubaspieler haben es eben auch nicht leicht. Keiner will sie so recht als Solisten wahrnehmen, und wenn sie schon allein auf der Bühne sitzen, dann müssen sie ganz besonders virtuos blasen, um zu zeigen, dass in einer Tuba mehr steckt als tiefe Töne. An dieser Stelle könnten sie in Selbstironie verfallen – oder eine CD aufnehmen. Andreas Martin Hofmeir macht beides.
Unter dem Titel Besser ohne Worte hat der fast schon legendäre – frühere – Tubist der Kultforma-
tion „La BrassBanda“, Solokünstler, Kabarettist und Professor am Konservatorium in Salzburg, mit seinem Duopartner Andreas Mildner eine Aufnahme vorgelegt, die die Tuba nicht nur mit dem zartesten aller Instrumente verbindet, seit es Saiten gibt: der Harfe. Darüber hinaus schlüpft der gebürtige Münchner in die Rolle von Figuren des romantischen Opern- und Liedrepertoires und bringt dabei seine allerfeinsten Tubagefühle zum Ausdruck. Er gibt Schuberts Gretchen am Spinnrad und den Harfenspieler, Schumanns Tochter der Jephta und die Loreley. Bald betet er als Wolfram den „Abendstern“ aus Wagners Tannhäuser an, bald will er mit Puccini als Cavaradossi die Sterne für Tosca leuchten lassen.
Doch so zart Hofmeir auch spielt, so viel Kreide er schluckt und sich zum Daueraufenthalt in tubistische Höhenlagen begibt, als wäre das Instrument dafür gemacht – wirklich überzeugend sind all diese Anstrengungen nicht. Zum einen, weil die Harfe stets recht hintergründig abgemischt und klanglich keine ebenbürtige Partnerin ist, die gerade romantische Klavierlieder jedoch zwingend verlangen. Zum anderen, weil die Einsamkeit, Unruhe und Bedrohung, auch die Liebesglut der Romantik kaum einmal zu fassen sind. „Mein armer Kopf./ Ist mir verrückt,/Mein armer Sinn./ Ist mir zerstückt“, singt Schuberts Gretchen. Kein einziges Mal ist diese Bedrängnis in Hofmeirs Bearbeitung zu fassen. Und „Lucevan le stelle“, diese unsterbliche, todtraurige Arie, die Tenöre in Sterbenssehnsucht herausschluchzen, als süße Tuba-Kantilene zu geben – das ist schon keine Ironie mehr, das ist Frechheit.
Ein anderer Fall ist die Transkription von Schumanns Adagio und Allegro, das im Original für Horn komponiert wurde. Die warme Mittellage dieses wunderbaren Werks hat Hofmeir natürlich drauf. Der impliziten Virtuosität, die er freilich fehlerfrei beherrscht, fehlt es aber an Strahlkraft.
Irgendwann fragt man sich mit Grönemeyer: Was soll das? Warum zwängt der Künstler sein Instrument in solch ein Korsett wie einen Bären in ein Ballerinakostüm? Fast möchte man im Lehrerdeutsch darunterschreiben: Thema verfehlt. Wäre da nicht das Raum greifende letzte Stück der CD, eine Carmen-Fantasie von François Borne aus dem Jahr 1880, ursprünglich für Flöte und Klavier komponiert und hier mit einigen jazzigen Freiheit für Tuba und Harfe arrangiert. Endlich lässt Hofmeir da den Wolf aus der Tuba, endlich zeigt er, über welch aberwitzige technische und klangliche Qualitäten er verfügt.
Johannes Killyen