Mark Andre, Martin Matalon, Anthony Cheung u.a.
Beschenkt
40 Miniaturen zum Jubiläum. Ensemble Modern, Ltg. Ingo Metzmacher
Im Jahr 2020 konnte das Ensemble Modern ein Doppeljubiläum feiern: 40 Jahre Ensemble Modern und 20 Jahre Ensemble Modern Medien. Was kann man einem solch einzigartigen Ensemble für Neue Musik zum Geburtstag schenken, ohne den Gedanken einer bloßen Pflichtübung aufkommen zu lassen? Muss man da das Schenken an sich problematisieren, wie Derrida es tat? Wie kann es gelingen, die Gabe als Moment im Hier und Jetzt zu aktualisieren, in dem Vergangenheit und Zukunft sich berühren? Mir scheint, dem Ensemble Modern ist hier etwas gelungen, was Wort und Sinn der Gabe vereint: die im eigenen Label zusammengefassten musikalischen Miniaturen von 40 Komponisten, mit denen das Ensemble über die Jahre produktiv verbunden war.
Mark Andre, Martin Matalon, Anthony Cheung, Pascal Dusapin, Johannes Kalitzke, Heinz Holliger, Johannes Maria Staud, Martin Grütter, Brigitta Muntendorf, Michael Gordon, Cathy Milliken, Georg Friedrich Haas, Heiner Goebbels, Mark-Anthony Turnage, Manfred Trojahn, Fred Frith, HK Gruber, Johannes Motschmann, Vladimir Tarnopolski, Vito Žuraj, Philippe Manoury, Anders Hillborg, Salvatore Sciarrino, Márton Illés, Ennio Morricone, David Fennessy, Peter Eötvös, Hanspeter Kyburz, Georges Aperghis, Arnulf Herrmann, Johannes Schöllhorn, Samir Odeh-Tamimi, Saed Haddad, Brian Ferneyhough, Chikage Imai, Markus Hechtle, Olga Neuwirth, Bernhard Gander, Enno Poppe und George Benjamin gratulieren mit kleinen, eigens zu diesem Anlass verfassten Kompositionen, die alle um das Thema „Winter – Weihnachten – Zeremonie (Geburtstag)“ kreisen. Die kompositorische Sprache und das verwendete Idiom von differenzierten Geräuschklängen, patternartigen Repetitionen, kantabler Melodik und metallischen Klangblöcken, filigraner Klangauffächerung, (Weihnachts-)Liedbezügen sowie Anleihen aus Pop und Jazz in variablen Besetzungen von kammermusikalischen bis orchestralen Farben reflektieren das breite Spektrum der jeweiligen Personalstile: ein buntes Kaleidoskop ohne prätentiösen Anspruch auf Repräsentanz. Wer die 40 Miniaturen nacheinander anhört, wird in vielen Fällen dennoch überrascht sein über die Homogenität der Tonsprache – bei aller Diversität der jeweiligen kompositorischen Handschrift.
Das sorgfältig editierte Booklet steuert über die Interpreten und Komponisten interessante, zuweilen aber auch belanglose assoziative Gedankensplitter bei, und bezieht dabei Aussagen zum Verhältnis der Musiker zum Ensemble Modern ein. Man muss sich die kurzen Informationen, die nicht der chronologischen Abfolge der Aufnahme der Stücke folgen, ein wenig zusammensuchen, erhält dann aber einen unterhaltsamen, die einzelnen Autoren charakterisierenden Überblick über die jeweiligen Ansprüche und Sichtweisen. 40 Miniaturen quer durch die neue Musikszene – eine wahrhaft generöse Gabe als Ausdruck der Verbundenheit mit dem beschenkten Ensemble.
Wilfried Gruhn