Dieter David Scholz

Berlin: Viel Film und wenig Bühnenaktion

Gala zu 75 Jahren Komische Oper Berlin

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 53

„Die trau’n sich was“, sagte die ehemalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters in einem der vielen Interviews, die während der Jubiläums-Gala der Komischen Oper Berlin aus Anlass ihres 75-jährigen Bestehens per Video auf großer Bühnenleinwand gezeigt wurden. Auch die heutigen Ko-Intendant:innen Susanne Moser, Philip Bröking und viele andere, die an dem Haus etwas zu sagen haben und hatten, kamen per Film zu Wort: Alle waren natürlich voll des Lobes und der Bewunderung. Den Anfang machte Bundespräsident Steinmeier, allerdings live. Er holte in seinem Grußwort weit aus: Durch Kunst, auch Musiktheater könnten Menschen besser mit dem Leben umgehen. Gewiss. Er sprach von Humanität und Tradition, vom Geist des Hauses – der auf den Gründer Walter Felsenstein zurückgehe – und von „höchster Qualität“.
Die Gala „75 Jahre Komische Oper Berlin“ war ein vor allem filmischer Rückblick auf die Geschichte der Komischen Oper im Spiegel des Wandels der Stadt. Und eine Hommage an ein Musiktheater, das die Welt der Oper revolutionieren sollte: waren die Geschicke des Hauses doch stärker geprägt von Regiepersönlichkeiten als von großen Gesangsleistungen. Walter Felsenstein setzte seinerzeit weltweit neue Standards für die Opernregie. Sein Credo lautete: „Musik, die nicht aus dem dargestellten Vorgang wächst, hat nichts mit Theater zu tun, und eine Darstellung, die sich nicht präzise und künstlerisch gültig mit der Musik identifiziert, sollte besser auf Musik verzichten.“
Der kurze Ausschnitt aus der Fledermaus, die Felsenstein zur Eröffnung des Hauses am 23. Dezember 1947 inmitten des kriegszerstörten Berlin herausbrachte – mit Protektion von russischer Seite –, sprach für sich. Doch heute ist „höchste Qualität“ längst nicht mehr selbstverständlich an der Komischen Oper, auch wenn Künstler:innen, Arbeitsprinzipien und Produktionen des Hauses in dieser Gala, die auf der Bühne viel Film zeigte, aber wenig tatsächliche Bühnenaktion, über den grünen Klee gelobt wurden.
Inszeniert wurde die Gala von Filmregisseur Axel Ranisch. Die wenigen Live-Szenen auf der Bühne (die Hendrik Vestmann ziemlich hemdsärmelig dirigierte) sind recht willkürlich gewählt und eingestreut zwischen Ton- und Bilddokumenten aus der 75-jährigen Geschichte des Hauses. Geboten wurde ein bisschen Johann Strauß, ein Häppchen Janáček, etwas Offenbach, ein Jerry Bock, ein deplatzierter Mozart, eine Prokofjew-Szene und Oscar Strauss. Sänger:innen wie Nadja Mchantaf, Günter Papendell, Stefan Kurt, Max Hopp und andere traten auf. Für den umjubelten Höhepunkt des Abends sorgte die nicht eben begnadet singende Schauspielerin Dagmar Manzel als (Oscar Strauss’) Kleopatra im Format einer Berliner Kodderschnauze.
Die heutigen Ko-Intendant:innen Susanne Moser und Philip Bröking, aber auch Ehemalige wie Andreas Homoki, Harry Kupfer, Barrie Kosky und Politiker wie Klaus Wowereit oder Thomas Flierl schwärmten, warben, verklärten und orakelten angesichts der Vergangenheit sowie der Zukunft des Hauses, die in einem zu errichtenden Neubau liegt, dessen Kosten inzwischen auf 437 Millionen Euro angewachsen sind. Ab Juni 2023 werde man erst Mal im Schiller-Theater spielen und in Außenspielorten. Dann werde man weitersehen.