Werke von John Cage, Enno Poppe, Aribert Reimann und anderen
Berlin FREIZeit
Sarah Maria Sun (Sopran), Bas Böttcher (Slam Poet), Johannes Julius Fischer (Percussion), Kuss Quartet
Ein paar Töne nur, dann folgt schon das charakteristische Geräusch des Umblätterns von Notenseiten, flott und unisono, wie es sich für ein gutes Streichquartett gehört. Die Abschnitte des kurzweiligen Werks Freizeit, das diese CD eröffnet, werden, nach dem ersten auffallend kurzen Abschnitt, immer länger und komplexer, basieren aber deutlich hörbar allesamt auf demselben sehr kurzen Motiv. Komponist Enno Poppe schreibt im Booklet zu dieser CD, dass er die „Keimzelle“ der Musik seinem Werk Zwölf für Violoncello solo entnommen habe. Die sieben Minuten Musik des Streich-quartetts Freizeit, inklusive des formgebenden Blätterns, vergehen beim Zuhören schnell und unterhaltsam, obwohl und weil es sich hier um Neue Musik handelt. Die Musiker:innen müssen ihre Instrumente selbstverständlich gut beherrschen, damit es zum Genuss wird.
Aribert Reimann und Theodor Kirchner haben die Musik für das zweite Werk der CD, Die schönen Augen der Frühlingsnacht, geliefert. Reimann hat seine sieben kurzen Bagatellen für Streichquartett (2017) mit sechs bekannten, ebenfalls kurzen Liedern für Sopran und Streichquartett von Kirchner kombiniert, wobei er sich laut Booklet musikalisch immer von den Liedern Kirchners inspirieren ließ. Das hört man jedoch nicht unbedingt. Schroff eröffnet die erste Bagatelle, unbeschwert ertönt anschließend Sarah Maria Suns Sopran im ersten Lied. Ihre Stimme wirkt natürlich, dabei sowohl dramatisch als auch entspannt, ganz so, wie die Musik es fordert. So reihen sich, kontrastreich gegeneinander gesetzt, expressiv Bagatelle an Lied, Lied an Bagatelle. Die Mischung ist interessant, die Bagatellen wirken sprühend lebendig zwischen den Liedern im romantischen Duktus des 19. Jahrhunderts. Unterhaltsam in der Mischung, aber auch voneinander getrennt, sind die Werke sehr hörenswert.
Manfred Trojahns Streichquartett Nr. 5 folgt. Drei umfangreiche Sätze, die das Ohr fordern, mit Expressivität, technischen Herausforderungen und Spannungsverläufen gespickt. Zarte Kantilenen erheben sich aus schroffen Riffs, ruhige und leise Passagen lassen temperamentvolle Ausbrüche durch starken Kontrast noch mehr strahlen. Das ist hochexpressive Literatur für vier Streicher, im ruhigeren zweiten Satz um einen Sprecher (hier Slam Poet Bas Böttcher) ergänzt, der im aufgeregten Flüsterton einen Text Hugo von Hoffmanthals liest.
John Cage hat mit The Wonderful Widow of Eighteen Springs schon Anfang der 1940er Jahre einen Hit für Sopran und Klavier geschaffen, hier mit Sarah Maria Sun und dem Kuss Quartett zu hören. Der Text (James Joyce) kommt auf dieser CD verständlich und ein bisschen lasziv rüber – eine schöne Abwechslung nach Trojahns Streichquartett und vor dem abschließenden Duft von Johannes Julius Fischer, der auch den Perkussionspart übernommen hat. Der genüsslich ironische Text, die leichthändige Perkussion und vier solistische Streicher agieren sehr eigenständig und finden sich schließlich gegen Ende – schillernd, wirbelnd, gemeinsam zerstäubend.
Heike Eickhoff