Oliver Ostermann
Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt
Kinderoper nach dem Buch von Hannes Hüttner. Theater Chemnitz, Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz, Ltg. Oliver Ostermann
Eine Musik, so sprechend wie im Film und so melodiös wie im Musical; eine spannend-lustige Geschichte, spritzig erzählt; glasklar singende und sprechende Akteur:innen; musikalische Themen zum Wiedererkennen und ein wunderbar temperamentvoll aufgelegtes Orchester, das jede Pointe musikalisch auf den Punkt bringt: So wird ein Stoff, der schon als erfolgreiches Kinderbuch mittlerweile fünf Jahrzehnte kleine Leser:innen und Zuhörer:innen begleitet hat, zu einem mitreißenden Bühnenstück und zu einem plastischen Hörvergnügen.
Bei dieser Produktion kann man wirklich von einem ausgesprochenen Glücksfall sprechen. Librettist Alexander Kuchinka und Komponist Oliver Ostermann haben aus dem Kinderbuchklassiker von Hannes Hüttner eine temporeiche, humorvolle Kinderoper gestaltet, die alles andere als kalter Kaffee ist: Aus jeder Note sprüht der Esprit von Koffein und nach dem Schlussakkord verlässt man auch als erwachsene „Nur-Hörerin“ ohne Bühnen-Liveerlebnis angeregt das Sofa.
Fünfzig Jahre nach Erscheinen der literarischen Vorlage ist das Werk an der Oper Chemnitz in der Spielzeit 2019/20 uraufgeführt worden. Geschichte und Musik sind so zeitlos und mit der richtigen Balance aus gesungenen und gesprochenen Passagen zusammengebracht worden, dass kein Staubkörnchen das Alter der Vorlage verrät. Und dazu tragen auch die rund und farbig gezeichneten Charaktere ihren Teil bei: die fürsorgliche Oma Eierschecke, der verliebte Tierparkdirektor Futtersack, die kesse Emilia Zahnlücke (glockenklar der Sopran von Marie Hänsel) oder die ganze Feuerwehrtruppe, die ein wahres Dream Team darstellt.
Selten hat man ein Telefon (gesungen und wunderbar übertrieben gesprochen von Sylvia Schramm-Heilfort) so schön klingeln gehört. Dabei ist es der personifizierte Störenfried, der die Feuerwehrleute immer wieder von ihrer wohlverdienten Pause abhält und Katastrophenfälle vermeldet – was letztendlich zu kaltem Kaffee führt. Gerade war man noch emsig mit dem Verzehr eines Butterbrots beschäftigt, dann heißt es plötzlich: alles stehen und liegen lassen und die ganze Konzentration darauf verwenden, die liebenswerte Oma Eierschecke aus einem brennenden Haus zu retten, das ins Eis eingebroche Mädchen Emilia vor dem Ertrinken zu bewahren oder den Zugang des Futterhauses der Zootiere von einem umgekippten Baum zu befreien.
Der von der Robert-Schumann-Philharmonie unter Leitung des Komponisten mitreißend gespielte komplexe Orchestersatz ist mit viel Einsatz von lautmalerischer Perkussion, dann wieder filigran gestalteten Melodiepassagen ein kindgerechtes Kaleidoskop der Stimmungen. Die Instrumente führen als musikalische Erzähler von der höchsten Dramatik der Ereignisse bis hin zu romantischen Zwischentönen, wenn beispielsweise Oma Eierschecke sich auf ein Abendessen mit dem Zoodirektor freut.
Diese CD gehört nicht zu denen, die man nur einmal hört. Und sie macht Lust, sich das Stück auch einmal live anzuschauen.
Sabine Kreter