Werke von Antonio Salieri, Johann Nepomuk Hummel und Jan Václav Hugo Voříšek
Beethoven’s World
Mirijam Contzen (Violine), Herbert Schuch (Klavier), WDR Sinfonieorchester Köln, Ltg. Reinhard Goebel
Angesichts dieser neuen CD fragt man sich, warum eigentlich das Repertoire des öffentlichen Musiklebens, vor allem der Sinfoniekonzerte, oft so schmal und fantasielos ist, und man vermisst den Blick auf interessante Nischen dazwischen. Da hilft die vorliegende Einspielung von drei unbekannten Werken der Beethoven-Zeit weiter. Sie ist eine echte Repertoirebereicherung und ermuntert nachdrücklich, die Suche nach unbekannten Schätzen zu intensivieren. Hier jedenfalls sind drei Perlen wiederentdeckt worden; sie stellen zugleich beträchtliche spieltechnische Ansprüche an die Interpreten.
Die exzellenten Musiker des WDR Sinfonieorchesters Köln meistern die Herausforderung solch unbekannten Notenmaterials makellos und souverän, unterstützt durch eine adäquate Aufnahmetechnik und die animierende Leitung Reinhard Goebels. Die eröffnenden Variationen von Antonio Salieri über das bekannte barocke Follia-Thema (1815) sind zugleich das eigentliche Highlight dieser CD. Die 26 Variationen verblüffen durch ihren orchestralen Farbenreichtum; jede einzelne Nummer bietet eigene Überraschungen einer überschäumenden kompositorischen Fantasie. Alle Gruppen und Solisten des Orchesters sind sehr gefordert und erklingen in immer neuen originellen Kombinationen; dabei spielen Solo-Violine und Solo-Harfe eine herausgehobene Rolle.
Johann Nepomuk Hummel orientiert sich in seinem Doppelkonzert für Violine, Klavier und Orchester G-Dur op. 17 (1804) hörbar an seinem Lehrer Mozart, ohne deshalb die eigene Persönlichkeit zu verleugnen. Auch hier leuchten die klassisch erprobten Farben des modernen Orchesters der Beethoven-Epoche. Die beiden Solisten Mirijam Contzen und Herbert Schuch bewältigen die anspruchsvollen Herausforderungen bemerkenswert selbstverständlich. Dabei dominiert Hummels Instrument, das Klavier. Schuch spielt seinen Part auf dem modernen Flügel luftig und locker, manchmal ein wenig vorwärtsdrängend. Der Verzicht auf einen zeitgemäßen Hammerflügel fällt bei dieser Spielweise kaum auf. Die etwas undankbarere Rolle fällt der Geigerin zu, die sich phasenweise den recht klaviermäßig erdachten Passagen anpassen muss. Beider Zusammenspiel ist sorgfältig aufeinander abgestimmt und fügt sich organisch in die orchestrale Begleitung ein.
Die Sinfonie D-Dur op. 23 (1823) von Jan Václav Hugo Voříšek rundet in großer Besetzung das Programm sinnvoll ab. Sie zeichnet sich weniger durch originellen melodischen Einfallsreichtum aus, besticht aber durch die durchdachte Entwicklungsarbeit des motivischen Materials und die Farbigkeit der Instrumentation. Reinhard Goebel motiviert das vorzügliche WDR-Orchester zu hochkarätigem Musizieren, so als sei die Arbeit an einer unbekannten historischen Partitur Alltagsroutine. Diese CD ist also zugleich ein Dokument dafür, wie weit die historisch-orientierte Aufführungspraxis sich im symphonischen Alltag durchgesetzt und bewährt hat.
Arnold Werner-Jensen