Werke von Adalbert Gyrowetz, Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven und anderen
Beethovens Welt 1799-1851
Der Revolutionär & seine Rivalen. CasalQuartett
Beethoven im Spiegel seiner Zeitgenossen abzubilden, das versucht so manche Biografie. Gelungene und weniger gelungene Beispiele solcher Druckerzeugnisse waren im Jubiläumsjahr des großen Komponisten sprichwörtlich an jeder Straßenecke zu haben. Wenn nun das CasalQuartett mit einer formidablen Box mit fünf CDs den musikalischen Revolutionär im Spiegel seiner Rivalen porträtiert, so hat das eine andere Qualität. Denn auf diese Idee muss man erst mal kommen: Streichquartette des frühen, mittleren und späten Beethoven auf jeweils einer CD Werken anderer Komponisten gegenüberzustellen, die aus demselben Jahr stammen.
Haydns „Komplimentierquartett“ etwa, sein vorletztes vollendetes Werk für diese von ihm quasi erfundene Gattung, ist ebenso 1799 entstanden wie das Beethoven’sche op. 18,1, das die sechs frühen Quartette wenigstens der Nummer nach anführt. Und das Werk eines gewissen Adalbert Gyrowetz, der als einer der fleißigsten Quartettschreiber seiner Zeit galt und bei Beethovens Begräbnis einer der Fackelträger gewesen sein soll. Den aber kennt heute so gut wie niemand mehr. Das kann man hier nun hören: Gyrowetz’ galanter, virtuoser, schon damals im Gestrigen verhafteter Stil; Haydns altersweiser, mit den Formen und harmonischen Erwartungen spielender Genius; und Beethovens ungestümer Geist, der forsch die Konventionen über den Haufen wirft und zu neuen Ufern aufbricht.
Während (auf der zweiten CD) Boccherini noch im 18. Jahrhundert schöngeistigt, ist Beethoven bereits bei seinem furiosen op. 59 angekommen. Wir schreiben das Jahr 1806 und die Welt ist aus den Fugen. Da nimmt sich das Quartett des ebenfalls vollkommen vergessenen Peter Hänsel – ein Haydn-Schüler, der in Paris bei Pleyel weiterlernte – äußerst seltsam aus.
Schließlich, wir sind nun schon auf CD 3 und im Jahr 1826, erfahren wir mit durchs Hören zum Staunen angeregten Sinnen, dass Beethovens op. 135, sein letztes Quartett, zeitgleich mit Schuberts Der Tod und das Mädchen auf die Welt kam. Was allerdings bedeutet, dass hier ein Werk, das musikalisches Denken an die Grenzen der Auflösung treibt, mit einem verglichen wird, das neue, zukunftsträchtigere Ausdrucksmittel gefunden hat.
Soweit das Konzept der Box, die mit Werken von Schumann, Mendelssohn und Czerny weitere Komponisten mit ins Boot holt, ohne direkte Gegenüberstellung. Alles in allem eine überaus bemerkenswerte editorische Idee. Dabei ist die Ausführung durch das CasalQuartett aller Ehren wert. Die Musiker gehören seit Jahren zur Weltspitze, ihre Lehrjahre etwa beim Alban Berg Quartett hört man ganz offen beim Schubert heraus.
Der Quartettklang ist ungemein homogen, es wird tadellos intoniert, mit großer Emotion und Risikofreude, selbst bei den unbekannten drei Ersteinspielungen dieser Sammlung. Dem Tonmeister hätte man hier und da Mut zu weniger Hall gewünscht. Einer der wichtigen Beiträge im Beethoven-Jahr.
Armin Kaumanns