von Richthofen, Gerhard (Buch und Regie)

Beethovens Orchester

Das Geheimnis der Sinfonie. Beethoven Orchester Bonn, Dokumentarfilm

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Centaurusfilm, www.beethovens-orchester-derfilm.de
erschienen in: das Orchester 04/2014 , Seite 80

Im März 2013 unternahm das Beethoven Orchester Bonn eine Tournee durch die Vereinigten Staaten mit reinen Beethoven-Programmen. Unter der Leitung seines Schweizer Chefdirigenten Stefan Blunier wurden die 5. und 7. Symphonie sowie die Klavierkonzerte Nr. 4 und 5 mit dem Solisten Louis Lortie aufgeführt. Der Unternehmensberater Gerhard von Richthofen kehrte hier zu seinem ursprünglichen Beruf des Dokumentarfilmers zurück, ein Teil der Finanzierung erfolgte über Crowdfunding. Als bekennender musikalischer Laie stellt Richthofen Fragen aller Couleur, oft hört er einfach nur zu. Er vermag es, Nähe zu einer ganzen Reihe von Orchestermitgliedern herzustellen, ohne dabei zu persönlich zu werden.
Zu Beginn wird gefragt, wie ein Orchester funktioniere, um sofort hinterherzuschicken, dass diese Frage nicht zu beantworten gewesen wäre. Stattdessen, so am Ende, hätte der Filmemacher herausgefunden, wie Symphonie entsteht. Der Film wirkt zunächst wie eine übliche Fernsehdokumentation mit dem typisch schweifenden Blick hinter den Kulissen. Bei der Auswahl der Gesprächspartner wurde darauf geachtet, alle Instrumentengruppen zu berücksichtigen. Es gibt Einführungen in die Instrumentenkunde, Tonerzeugung, Bauweise etc. Es darf sogar ganz unbedarft gefragt werden, ob beim Cello vor jedem Konzert neue Saiten aufgezogen werden.
Doch bald wird dieses Anfängerniveau verlassen. Es bilden sich zwei Schwerpunkte heraus, zunächst Fragen zum Musikerdasein, z.B. zum Verhältnis von künstlerischer Ausbildung und ans Kollektiv gebundener Festanstellung, zur Vereinbarkeit von Diensten und Familienleben, zur eigenen Rolle in einem Sinfonieorchester. Und dann – als das Eigentliche – die Arbeit an der 7. Symphonie. Einen intensiven Innenblick liefern direkt hin­tereinander montierte Orchesterstellen, zunächst vom Einzelinstrument, dann im Tutti erklingend. Hier wird die Funktion der einzelnen Stimme für den Gesamtklang sehr anschaulich. Der Bratscher Christian Fischer verdeutlicht mit unterschiedlichen Spielweisen derselben Stelle aus dem 2. Satz verschiedene Interpretationsansätze. Blunier wünscht für dieses Allegretto einen vibratoarmen Ton mit wenig Bogenhaaren. Nicht nur technisch zeigen die Musiker ein hohes Niveau, sondern auch in den differenzierten Reflexionen und Kommentaren zum Stück selbst bzw. der Bedeutung der eigenen Stimme innerhalb des formalen und dramaturgischen Ablaufs. In diesen Sequenzen enthält dieser Dokumentarfilm etwas Besonderes.
Blunier vergleicht seine Rolle mit der eines Fußballtrainers, es ginge darum, alles aufeinander einzuschwören, denn spielen könnten doch alle. Das Beethoven Orchester Bonn zeigt größte Bereitschaft zu diesem Willen zur aktiven Gemeinsamkeit: Bluniers im Gespräch angedeutete Ideen zum Stück werden hörbar umgesetzt. Auch wenn Richthofen vermeiden wollte, einen Werbefilm zu drehen, so ist er nicht ganz frei davon. Gen Ende wiederholt sich Eigenlob, und das letzte Wort gehört dem Orchesterdirektor, der letzte Rolltitel einem Konzertagenten, der eine weitere Einladung aussprach.
Beethovens Orchester liegt auch als Download vor, der Film ist gleichermaßen interessant für Laien, angehende Musiker sowie Profimusiker.
Christian Kuntze-Krakau

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