Ludwig van Beethoven

Beethoven recomposed

Cello Sonata No. 3 arr. cello and string ensemble/Violin Sonata No. 9 „Kreutzer“ arr. violin and string ensemble. Luka Coetzee (Violoncello), Miclen LaiPang (Violine), LGT Young Soloists, Ltg. Alexander Gilman

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naxos
erschienen in: das Orchester 06/2021 , Seite 72

Man musste im Beethoven-Jahr schon große Namen oder spektakuläre Neueinspielungen aufbieten, um im klassischen Plattenmarkt überhaupt wahrgenommen zu werden. Ein junges Streicherensemble mit einem ambitionierten Leiter und zwei ebenso junge Solisten sind da noch keine Garantie für einen Verkaufserfolg, ja überhaupt eine herausgehobene Sichtbarkeit. Und ob der etwas knallige Titel Beethoven recomposed dem typischen Klassikklientel den Weg zur Kaufentscheidung ebnet?
Beim Anhören der CD des Vielveröffentlichers Naxos ist nach gerade einmal zehn Sekunden eigentlich alles klar: Das Eingangsmotto des Cellos in der von Paul Struck bearbeiteten dritten Cellosonate von Ludwig van Beethoven kommt in der Gestaltung von Luka Coetzee so präsent, so knackig und explosiv daher, dass man an den weiteren Verlauf sofort allerhöchste Erwartungen hat. Die werden – das ist vorab das eindeutige Urteil – in den folgenden gut 60 Minuten Spieldauer aufs Wunderbarste erfüllt.
Der Einstieg des Streicherensembles ist exakt so prägnant und auf den Punkt gelungen wie der der Solistin, und die LGT Young Soloists, die in Liechtenstein einen solventen Gönner gefunden haben, zeigen im Verlauf, wo ihr Anspruch liegt. Hier spielt ein Ensemble wie aus einem Guss, feinnervig, zupackend und brillant im Klang. Beethoven, dessen Klavierstimme sich ja nie auf die „zweite Geige“ reduzieren lässt, hätte ganz bestimmt seine helle Freude an solch einer mitreißend gelungenen Adaption gehabt. Und als hätten Kopfsatz und Scherzo nicht schon gezeigt, dass Gidon Kremer und seine Ensembles offenbar nicht mehr allein im Olymp der orchestral aufgebohrten Kammermusik sitzen, kurvt das finale Allegro vivace so elegant und rücksichtslos perfekt durch alle musikalischen Schikanen, als sei das alles ein Kinderspiel.
Auch in der noch viel bekannteren Kreutzersonate wird Kammermusik auf respekteinflößendem Niveau ein neues, maßgeschneidertes Gewand angelegt. Hier fügt sich der Violinsolist Miclen LaiPang mit brillantem und doch äußerst differenzierungsfähigem Ton in ein von Alexander Gilman geleitetes Streicherensemble ein, das sein Klangspektrum fast noch einmal erweitert zu haben scheint und dessen reaktionsschnelles Umschalten vom subtil-lyrischen Kammerton zum bissfesten Tutti-Donner einfach nur umwerfend ist.
Diese Kammermusik 2.0 profitiert dabei von einer brillanten Tontechnik, die jedes noch so kleine Detail der Interpretation der LGT Young Soloists und ihrer Protagonisten perfekt abbildet. Beethoven recomposed springt aufgrund seiner aufsehenerregenden Teamleistung von Bearbeiter, Solisten, Ensemble und Technik direkt auf einen der ersten Plätze des Aufnahmejahres 2020.
Daniel Knödler