Beethoven Rarities

Claire Huangci (Klavier), Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt, Ltg. Howard Griffiths

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Klanglogo
erschienen in: das Orchester 06/2018 , Seite 67

„Am Faschingssonntage führte der hiesige Adel auf dem Redoutensaale ein karakteristisches Ballett in altdeutscher Tracht auf. Der Erfinder desselben, dem Komposition des Tanzes und der Musik zu Ehre gereichen, hatte darinn auf die Hauptneigungen unserer Urväter zu Krieg, Jagd, Liebe und Zechen Rücksicht genommen“, ist anno 1791 im Bonner Theaterkalender zu lesen. Nicht erwähnt allerdings der Name des erst 20-jährigen Komponisten Ludwig van Beethoven, stattdessen der seines Förderers Ferdinand Graf Waldstein. Erst elf Jahre nach Beethovens Tod wird der Titel „Musik zu einem Ritterballett“ offiziell und Beethoven als Komponist genannt. Eingereiht in die „Werke ohne Opuszahl“ (WoO) erhält es die Nummer 1. Zweifellos eine Rarität im Schaffen des in Bonn geborenen Tonsetzers, der sich das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt unter Leitung von Howard Griffiths auf seiner CD-Produktion “Beethoven Rarities” liebevoll annimmt. Es besteht aus acht einfachen, kurzweiligen Tanzsätzen, die mit Spiellust und Ernsthaftigkeit musiziert werden. Dem einleitenden “Festlichen Marsch” folgt ein “Deutscher Gesang”, der refrainartig nach jeder Nummer, die der Urväter Hauptneigungen minniglichen bis martialischen Ausdruck verleiht, wiederholt wird.
Kaum zu glauben, dass Beethovens Violinkonzert D-Dur op. 61 bei seiner Uraufführung anno 1806 im Theater an der Wien nur mit höflichem Beifall aufgenommen wird. Den Pianisten, Komponisten und Verleger Muzio Clementi ficht es nicht an. Er erwirbt die Druckrechte, wittert ein gutes Geschäft und überredet Beethoven zu einer Bearbeitung als Klavierkonzert. Der Meister liefert. Dabei bleibt der Orchesterpart unangetastet. Dagegen wird der Violinpart den erweiterten Möglichkeiten des Klaviers angepasst. Neu komponiert sind die breit angelegten Kadenzen. So wird die zum ersten Satz originell von der Pauke begleitet. Die darf wie gehabt mit samtweichen Schlägen das Klavierkonzert eröffnen, ehe sich ihnen seidiger Streicherglanz hinzugesellt. Geschmeidig, hell und klar, penibel auf Feinheiten bedacht, lässt Howard Griffiths voller Natürlichkeit musizieren. Für die leidenschaftlichen, perlenden und feinsinnigen Wechselgespräche mit dem Orchester hält die Pianistin Claire Huangci sowohl enormes technisches Können als auch gestalterische Ausdruckstiefe bereit. Begeisternd, wie nuanciert und mit trillerreicher Fröhlichkeit sie den faszinierenden Farbenreichtum des Bösendorfer-Flügels zum Klingen bringt.
Abgerundet werden die Raritäten durch das patriotische Werk “Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria”, die den militärischen Triumph des Duke of Wellington über Napoleon in der Schlacht nahe der baskischen Stadt Vittoria am 21. Juni 1813 zum Ausdruck bringt. Dabei lässt der Musiker Spiel an klangrealistischer Drastik des stereoeffektvoll offerierten Schlachtgetümmels nichts zu wünschen übrig. Nicht weniger packend vorgetragen ebenso die Klage über die Gefallenen und der Siegeshymnus. Eine vorzüglich aufgenommene und abgemischte CD.
Peter Buske