Michael Ladenburger (Hg.)

Beethoven

zum Vergnügen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Reclam
erschienen in: das Orchester 09/2020 , Seite 82

An Beethoven kommt in diesem Jubiläumsjahr anlässlich seines 250. Geburtstags keiner vorbei. Konzerte präsentieren Bekanntes und Unbekannteres aus dem OEuvre des Meisters, Buchveröffentlichungen versuchen neue Blicke auf Leben und Werk zu werfen, und dies alles geschieht meist mit großer Ernsthaftigkeit. In diesem Feier-Betrieb tut ein bunter Farbtupfer gut, wie ihn der Reclam-Verlag mit dem Bändchen Beethoven zum Vergnügen präsentiert. Gegen allen Beethoven- Kult scheint sich dieses Kleinformat zum Schmökern für unterwegs zu wenden: So signalisiert es jedenfalls die Titelillustration, auf welcher man Beethoven eine Faschings- Tröte zwischen die Lippen geschoben hat. Vielleicht hätte der Meister selbst über diese Bildmontage gelacht. Denn man sollte nicht vergessen, dass Beethoven nicht nur „dem Schicksal in den Rachen“ griff, sondern auch viel Humor entwickelte, ob in seiner vor Überraschungseffekten strotzenden Musik, ob in seinen hinterlassenen schriftlichen Äußerungen. In thematisch konzentrierten Kleinkapiteln erhält der Leser Einblicke in diese Seite Beethovens, ob es nun um „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ geht, ob um den Kampf mit Kopisten oder dem Dienstpersonal. Quellen sind seine Briefe und Konversationshefte, dazu die Texte seiner Scherzkanons, ergänzt von einigen zeitgenössischen fremden Stimmen, die sich an Beethoven wandten oder über ihn berichteten. Nicht immer geht es in den Briefen Beethovens derb zu: Man lernt ihn auch als herzlichen und empathischen Menschen kennen, wenn er Kontakt zu Freunden der Bonner Zeit aufnimmt. Aber oftmals ist er nur zu bereit, ganze Eimer von Spott über sein Wiener Umfeld auszugießen, und dies umso mehr, je dichter die persönliche Nähe ist. Der zeitweilige Intimus Nikolaus von Zmeskall muss sich als „Baron Dreckfahrer“ titulieren lassen, der Geiger Karl Holz ist ein „Bester Span“ oder erhält den Ehrentitel „Seine Frechheit“, die Mitarbeiter des Verlags Artaria firmieren als „Sehr beste Ehrenwerte,Hochgeleerte“ (Unterstreichung original). Zur Zielscheibe wird insbesondere der an der Uraufführung von Beethovens späten Quartetten führend beteiligte Ignaz Schuppanzigh. Dessen Beleibtheit provozierte Beethoven zu Anreden wie „Dicker Saumagen“ oder „Falstaffarel“ und sogar zur Idee eines „Instruments“, den befreundeten Musiker vier Treppen zu Beethovens Domizil hochzuhieven. Der Treppenlift: eine Idee Beethovens? „Was ich scheiße, ist besser, als was du je gedacht“, steht einmal als Bleistiftrandnotiz bei einem musikalischen Aufsatz, der Beethoven erboste. Nun, das war natürlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Dieser gegenüber kehrte Beethoven jedoch immer wieder die Lust zu Silben- und Buchstabenspielen hervor. „adieu Baron Ba…ron ron nor | orn | rno | onr|“ steht einmal als Schlusswendung zu lesen: Da ist die Lautpoesie eines Ernst Jandl nicht mehr weit.

Gerhard Dietel