Bach / Eyser /Rønnes / Heucke

Bassoboe

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Ortus om44
erschienen in: das Orchester 03/2012 , Seite 80

Bassoboe und Bassklarinette treffen sich zum musikalischen Techtelmechtel. Das ist wahrlich ein ungewöhnliches Paar – ein sehr seltenes Zusammentreffen. Beide sind zuhause in den tiefsten Registern ihrer Familien und dabei doch erstaunlich flexibel. Langsam und wonnig umspielen sie sich mit weichen, tiefen Tönen, bis sie dann in den jeweiligen Mittel-
lagen fast kokett miteinander flirten und sich gemäßigt sportive Läufe zuwerfen. Nachdenklichere Phrasen folgen. In abgründig tiefer Lage scheint man also letztendlich doch etwas zurückhaltender zu sein. Nebenbei ist Stefan Heuckes Lamentatio, das diese beiden Instrumente zusammenführt, ein harmonisch spannendes Werk mit hübschen melodischen Einfällen, absolut hörenswert und etwas modern. Die Musikerinnen Sabine Kaselow (Bassoboe) und Sylvia Schmückle-Wagner spielen es außerdem lupenrein und haben ihre Holzblasinstrumente hervorragend im Griff.
Die Bassoboe trifft auf dieser gelungenen CD in den Drei Nocturnes von Robert Rønnes aber auch auf das Klavier. Sanft fließend, ein bisschen verträumt und sauberst aus dem tiefen Rohr gezaubert lässt Kaselow sie hier ertönen. Lyrisch und innig geblasen, gekrönt mit schönem Vibrato, sind die Nocturnes echte Schmankerln mit gehörig viel Zuckerguss. Der Pianist (Jens Hoffmann) fügt sachte einen flauschigen Klangteppich hinzu. Ein weiteres schönes Stück mit ungewohnter Hauptdarstellerin, die sich aber in ihrer Solistenrolle hervorragend hören lassen kann.
Auch Komponist Eberhard Eyser gefielen die lyrischen, melancholischen Möglichkeiten der Bassoboe. In den drei Sätzen seiner Pastorelles nutzte er sie deshalb weidlich aus. Die Harfe, die hier als Duettpartnerin von Andrea Thiele gespielt wird, sorgt für angenehme klangliche Kontraste. Kaselow lässt die Bassoboe anmutig bis in höchste Lagen singen, und so entsteht wieder ein sahniger Oboengenuss, der ohne Klebrigkeit daherkommt.
Johann Sebastian Bach hat zwar kein Original für die Bassoboe komponiert (was ihn posthum sicher heute noch furchtbar reut), aber seine Sonate für Viola da Gamba und Cembalo G-Dur BWV 1027 klingt sehr gut auf der großen Oboe: drei Sätze, die bereits nach ein paar Takten so wirken, als könnten sie gar nicht anders besetzt werden. Sabine Kaselow hat einfach ein Händchen für die Bassoboe und führt sie auch hier nicht als exotischen Verwandten, sondern vollwertiges Mitglied der Oboenfamilie vor. Die Orgel (Christian Skobowsky) findet schöne Registrierungen, die den Reiz dieses Duos noch erhöhen. Selbstbewusst singen die beiden Instrumente hier um die Wette und machen Lust auf noch mehr Bach mit noch mehr Bassoboe.
Sicher, der tiefe Oboenklang ist zuerst ungewohnt. Doch singt die Bassoboe immer samtig und geläufig ihre Stimmen, weit entfernt vom Image des etwas unbeholfenen großen Bruders, den man gern dann auf die Bühne lässt, wenn es ein bisschen rauer zugehen soll. Stattdessen stellt sich eine selbstbewusste Diva vor.
Heike Eickhoff