Escaich, Thierry

Baroque Song

für Orchester, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Gérard Billaudot, Paris 2009
erschienen in: das Orchester 01/2010 , Seite 71

Thierry Escaich schrieb seinen “Baroque Song” als Auftragswerk für das Orchestre de Bretagne, das 2007 unter der Leitung von J. Carneiro in Quimper die Uraufführung bestritt. Der Verlag Billaudot hat die vorliegende Partitur 2009 in Paris veröffentlicht. Die Komposition umfasst drei Sätze in der Folge schnell – langsam – schnell: auf ein Vivacissimo von drei Minuten Dauer folgt – als zentrales und gewichtigstes Stück – ein Andante (sieben Minuten); ein sehr schneller Satz – Allegro molto energico – (drei Minuten) beschließt das Triptychon.
Die Besetzung umfasst je zwei Holzblasinstrumente, wobei gelegentliche Wechsel zu Piccolo, Englischhorn bzw. Kontrafagott eingeschlossen sind. Zwei Hörner und zwei Trompeten, dazu Pauken und nicht zuletzt Streicher, ergänzen die Partitur. Einer der Kontrabässe soll fünfsaitig sein; er wird innerhalb des zweiten Satzes auch umgestimmt.
Der 1965 geborene Thierry Escaich beschloss 1990 sein Studium am Conservatoire in Paris und wurde 1992 am selben Institut Professor. Er machte schnell Karriere als Komponist sowie als Konzertorganist und Orgel-Improvisator; als Instrumentalist nahm er eine rege Konzerttätigkeit im In- und Ausland auf. 1997 wurde er in Paris an die berühmte alte Kirche Saint-Étienne-du-Mont verpflichtet.
Escaich schreibt eine spannungsvolle Musik, die vom Hörer sofort Aufmerksamkeit fordert und Konzentration verlangt. Das gilt sowohl für leidenschaftliche Teile voller vorantreibender Rhythmik, vor allem im dritten Satz, wie für den eher nachdenklichen, empfindsamen zweiten Satz. Wer weiß, dass der Komponist ein Faible für die Begleitung alter Stummfilme an Orgel oder Klavier hat, kann sich bei diesem dramatischen Stück an eine Formulierung erinnert fühlen, die Arnold Schönberg einem seiner Werke angedeihen ließ: „Begleitmusik zu einer Lichtspielszene“.
Mit dem Titel “Baroque Song” für Orchester zeigt Escaich sein Interesse, in einem eigenen Werk mit der Musik früherer Epochen zu kommunizieren, wenn er z.B. alte Choräle anklingen lässt. Man findet typische, durchsichtig gesetzte barocke Spielfiguren mit Imitationen, aus denen sich eine motorische, durchlaufende Bewegung ergibt. Dabei ist die Artikulation genau vorgeschrieben; unmissverständlich werden ebenfalls die Töne angezeigt, mit denen getrillert werden soll. Eines der Mittel zur Bereicherung der Klangfarbe besteht darin, Streicher auch solistisch einzusetzen. Das Solocello wird sogar am Ende des zweiten Satzes mit einer virtuosen und schwierigen Kadenz beglückt, die zum wesentlich schnelleren Tempo des letzten Satzes überleitet. Als Abschluss des brillanten Allegro molto energico gönnt der Komponist seinen Streichern ein pizz. bartók.
Thierry Escaich hat mit dem !Baroque Song” für Orchester ein vielversprechendes Stück geschaffen, das gute Chancen haben sollte, bei Orchestern wie beim Publikum Erfolg zu haben.
Peter Roggenkamp