Nora Gomringer (Text) / Andreas Herzau (Fotos)

Bamberg Symphony

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Hatje Cantz, Ostfildern, 2016
erschienen in: das Orchester 09/2016 , Seite 56

Was kommt dabei heraus, wenn sich eine Lyrikerin und ein Fotograf zusammentun, um den Spuren der Musik zu folgen? Die Antwort findet man in einem Buch, das anlässlich des 70. Geburtstags der Bamberger Symphoniker erschienen ist. Hinter dem schlichten Titel Bamberg Symphony verbirgt sich eine synästhetische Reise, bei der die Musik des Orchesters in Bilder und Worte übersetzt wird. Die Bachmann-Preisträgerin Nora Gomringer und der Fotokünstler Andreas Herzau haben die Bamberger Symphoniker zwei Jahre lang begleitet, sie haben die Musiker und Musikerinnen bei ihren Tourneen vor und hinter den Kulissen beobachtet, sich in die Seele der Musik eingefühlt und versucht, diese sichtbar zu machen.
Das Ergebnis ist ein Buch der leisen Töne. Hier finden sich keine strahlenden Hochglanzfotos und auch keine wuchtigen Phrasen, vielmehr zarte, wie hingetupfte Bilder, begleitet von sensiblen Texten. „Das Orchester klingt karamellfarben“, stellt Nora Gomringer fest, „nach Sahnebonbon, und ist im Lustzent-
rum des Gehirns doch durchaus salzige Lakritze, ist malewitschig, schwarzquadratisch, Zitronenfalter, Aperol Spritz und ein frischer, kühler Silvaner.“ In diesen Worten entfaltet sich ein ganzer Klangkörper, dem man nachlauschen kann, Musik und Literatur gehen eine Symbiose ein.
Dazu 87 Fotos von raffinierter Schlichtheit: der Schallbecher einer Trompete, Finger, die über eine Tastatur gleiten, Gesichter im Publikum, ein Reisebus, eine nächtliche Straßenszene irgendwo. Musik kann überall sein, nicht nur im Konzertsaal, sie kann in gepackten Koffern ebenso stecken wie in einem offenen Hemdknopf oder in einer dichten Menschenmenge. Und immer wieder Worte, scheinbar zufällig eingestreut, verfremdete Sätze, das grafische Spiel mit Worten und Buchstaben und Impressionen („Mein Verdacht: Sorgfalt erhebt den Menschen zur Relevanz“).
Im Mittelteil hat Nora Gomringer ein poetisches Alphabet der Bamberger Symphoniker zusammengestellt, von A wie Applaus bis Z wie Zugabe. Da geht es um einen perfekt getimten Donnerschlag nach einem Konzert; um den böhmischen und den europäischen Klang; um die Schwierigkeiten des Mannes am Schlagwerk, bei einer Runde „Stadt, Land, Fluss“ ein Land mit X zu finden; oder um ein Telefonat mit dem japanischen Akustiker Yasuhisa Toyota. Kleine Szenen aus dem Orchesteralltag wechseln sich mit Gomringers Betrachtungen und Eindrücken ab: „Ich denke beim Anblick mancher Backstage-Bedingungen für ein reisendes Orchester: Sie sollen Magier sein, finden aber die Bedingungen der Kaninchen im Zylinder vor…“
Es ist ein Buch, das gleichermaßen gelesen wie betrachtet und erlauscht werden will, das die Grenze zwischen Musik, Sprache und Bild durchlässig macht (auf YouTube gibt es unter dem Stichwort „Bamberg Symphony – A Portrait in Images and Words“ einen Trailer zum Buch). Dass die Textteile auch ins Englische übersetzt wurden, ist vor diesem Hintergrund nur logisch: Schließlich ist es ein Buch wie Musik – und die kennt bekanntlich keine Sprachgrenzen.
Irene Binal