Jens Voskamp

Bamberg: Rauschhafte Farbenwelt

Uraufführung „Phantasma" von Bernd Richard Deutsch durch die Bamberger Symphoniker – und andere Höhepunkte

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 01/2023 , Seite 58

Einen Galeriegang unternimmt Bernd Dietrich Deutsch in seiner rund dreizehnminütigen sinfonischen Studie Phantasma: Darin taucht der 45-Jährige in die rauschhafte Farbenwelt seines österreichischen Landsmannes Gustav Klimt ein. Genauer: in dessen Beethoven-Fries, der seit 1986 wieder an seinem ursprünglichen Bestimmungsort, der Wiener Secession, zu sehen ist.
Alles beginnt leise mit einem von behäbigen Streicherakkorden unterlegten Klopfmotiv auf dem chinesischen Holzblock, das sich in der Folge durch das gesamte Klanggeschehen zieht. Schon dies eine Anspielung auf Gustav Klimt: Der vereinbarte ehedem mit Atelierbesuchern einen bestimmten Rhythmus, mit denen Kunstbegierige an die Tür der Malerwerkstatt klopfen mussten. Danach führen Bläser das Hauptthema des Werks ein, dem sich ein Violinsolo gegenüberstellt – offenbar ein Sinnbild für den Dialog von Bild und Betrachter.
Allmählich massieren sich die hinzutretenden Instrumente – darunter zwei Harfen, Celesta und Bassklarinette – zu einer massiven Klangballung, die sich durchaus zu einer rauschenden Trance auswächst. Wie bei Klimt wirbeln Figurinen und Ornamente durcheinander, geben sich die umherirrenden Motivfetzen kampfbereit und streitlustig, bevor sich alles wieder in eine Stille ergießt, in der das Klopfmotiv wieder hörbar wird. Wenn man so will, präsentiert sich Phantasma im Formenschema einer französischen Barockouvertüre. Wobei es Deutsch nicht nur um die konkrete Betrachtung geht, sondern auch um das atmos­phärische Einschwingen in eine Epoche, in der Moderne und Tradition, neue Blicke und alte Gewissheiten in besonderer Intensität miteinander rangen. Allerdings nicht als historische Reminiszenz, sondern als Klang- und Bildraum für uns Heutige.
In Auftrag gegeben wurde das Ganze nicht nur von den Bamberger Symphonikern, sondern auch vom Amsterdamer Concertgebouw Orchest­ra, das es kurz nach den Bambergern aus der Taufe hob, dem Cleveland Orchestra und den Liverpooler Philharmonikern, die das Werk im Mai ihrem Publikum vorstellen wollen.
Eine Solovioline ist auch in Richard Strauss’ Tondichtung Also sprach Zarathustra gefragt: Konzertmeister Ilian Garnetz, der offenbar vor einem Wechsel in die Berliner Philharmonie steht, gestaltet hier eine charakterstarke Performance.
Und doch überstrahlt der Charme, Esprit und Witz von Mitsuko Uchida das Konzertgeschehen: In Beethovens 5. Klavierkonzert erweist sich die Japanerin einmal mehr als überlegene Gestalterin, die jede Kraftmeierei meidet, aber durchaus virtuose Schussfahrten steuert. Die 73-Jährige schöpft aus ihrer gesamten pianistischen Erfahrung und Nuancierungskunst und meißelt auch die hier zu erlebenden Klopfmotive prägnant heraus.
Dazu formten die Bamberger Symphoniker einen vitalen Sound, der vom temperamentvollen Chefdirigenten Jakob Hr˚uša animiert herausgekitzelt wurde. Mittlerweile ist bekannt, dass der 41-jährige Mähre 2025 Antonio Pappano als musikalischer Direktor des Royal Opera House, Covent Opera beerben wird. Ob er seinen noch bis 2026 in Bamberg laufenden Vertrag bis zum Ende ausfüllen will und kann, ist mehr als fraglich …