Werke von Paul Schoenfield, Claude Vivier, Béla Bartók, Ernest Bloch, Eden Ahbez und Béla Kovacs
Balagan
Noa Wildschut (Violine), Pablo Barragán (Klarinette), Frank Dupree (Klavier), Anton Spronk (Violoncello)
Gefühlschaos, Verwirrung der Emotionen in Kopf und Bauch. Im Hebräischen gibt es dafür das Wort „Balagan“. Balagan, das sei „das, was passiert, wenn Menschen sich lieben und man sich gleichzeitig mit einem gebrochenen Herzen wiederfindet“, beschreibt der spanische Klarinettist Pablo Barragán diesen Gemütszustand.
Die CD Balagan, die vom Label accentus in Kooperation mit dem Südwestrundfunk produziert wurde, kreist um diese Idee. Die emotionalen Turbulenzen liefern das Trio von Paul Schoenfield, Béla Bartóks dem Jazz-Klarinettisten Benny Goodman gewidmete Contrasts sowie Prayer von Ernest Bloch. Die beiden ersten Stücke sind Originalwerke für die Besetzung Violine, Klarinette und Klavier, das Stück von Bloch (aus dessen Suite From Jewish Life für Cello und Klavier) ist als Arrangement von Thomas Beijer für dieselbe Besetzung vertreten. Direkt in die Sphäre des Jazz und der Folklore des Balkanraums führen Eden Ahbez’ Nature boy (bekannt durch die Version von Nat King Cole) und Béla Kovacs’ Greetings from the Balkan (jeweils mit Cello) – beide in der Bearbeitung durch den Pianisten Frank Dupree. Mit ihm sowie mit Noa Wildschut, Violine, und Anton Spronk, Violoncello, hat sich Pablo Barragan ausgezeichnete Musiker mit ins Boot geholt, deren Spielfreude und sprühende Musikalität die CD zu einem fesselnden Hörerlebnis machen.
Geradezu aufgekratzt kommt der erste Satz von Schoenfields Trio mit dem Titel „Freylakh“ daher, die Lebensfreude, die diese von Klezmerelementen durchsetzte Musik ausstrahlt, springt auf den Hörer über. Ein „Nigun“ ist in chassidischer Tradition eine Melodie, die das Selbst auf eine höhere Bewusstseinsstufe heben soll. Im dritten Satz seines Trios greift Schoenfield auf ein solches „Nigun“ zurück und schuf eine Musik, die spirituelle Ruhe und Kraft ausstrahlt. Barragan und sein Ensemble spielen das wunderbar feinsinnig und innig. Packend gelingt das Finale („Kozatske“): ein feuriger Tanz, in dem die Klarinette immer mal vor Freude quietschen darf.
Dann eine Überraschung: Zwischen dem Schoenfield-Trio und Bartóks Contrasts findet sich Claude Viviers Pièce pour violon et clarinette. Die stille, zarte, manchmal fast entrückte Poesie der Vivier’schen Musik hat mit den lebenszugewandten Tönen der übrigen Werke wenig zu tun. Doch im Gesamtzusammenhang lässt sie sich doch wie ein ganz fernes Echo darauf hören. Den Versuch ist es allemal wert, zumal auch dieses Stück luzide gespielt wird.
Aufgenommen im SWR-Studio Kaiserlautern besticht die CD durch angenehm transparenten Klang, der den Hörer in eine Art optimale Konzertsituation versetzt (also nicht mitten zwischen die Interpreten). Das Booklet bietet ein Gespräch mit den Künstlern. Man erfährt viel Persönliches über die Werke, aber wenig Informationen.
Mathias Nofze