Peter-Lukas Graf

Backstage

Über Musik, die Flöte und das Leben

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott,
erschienen in: das Orchester 05/2021 , Seite 75

Gerade 52 Texte sind es geworden – so viele wie das Jahr Wochen hat –, in denen Peter-Lukas Graf sein musikalisches Leben und Erleben erinnernd reflektiert. Vorab schon in Japan erschienen, sind sie von Kan Saito, einem seiner ehemaligen Flötenschüler angeregt worden. Wie der Titel Backstage schon vermuten lässt, dürfen wir hier hinter die Kulissen seines langjährigen Berufslebens schauen – viel wichtiger aber die Offenheit, was sein eigenes Denken und Fühlen betrifft.

Konzentriert und lebendig berichtet Graf von den für ihn wichtigen Erlebnissen und Erfahrungen, sei es als Orchesterflötist, Dirigent, Lehrer oder Solist. Es sind intensive, von positiver Kontinuität gekennzeichnete Einblicke in die vielfältigen Beziehungen zwischen Musik und Musikausübung. Eine Anzeige auf www.buchhandel.de fasst zusammen, was einen bei der Lektüre erwartet: Das Buch „liefert Informationen rund um die Flöte und ihrer Musik und bietet Einblicke in ein weltgewandtes Leben.“

Die Reihenfolge im Untertitel ist als inneres Programm zu verstehen: Die Musik ist das Zentrum, in dem sich alles verbindet. Musik, ganz gleich auf welchem Instrument, interessierte Graf von Anfang an mehr als die Flöte. So waren seine frühen Vorbilder auch nicht primär Flötisten, sondern Musiker wie Furtwängler, Rubinstein oder Casals, der ihm übrigens (erfolgreich) riet, bei der Flöte zu bleiben.

Durch den Unterricht bei André Jaunet entstand schon früh eine lebenslange Bindung an die französische Flötenschule. An ihren insbesondere von Philippe Gaubert geprägten Idealen orientiert sich Grafs interpretatorische Intensität, die er mit lebendig-deutlichen Impulsen und organischer, weil auf rhythmischer Präzision beruhender Agogik zu verbinden weiß.

Was mit der Tätigkeit als Orchesterflötist in Winterthur und dem Engagement als Opernkapellmeister in Luzern – und andernorts als Gastdirigent – begonnen hatte und den ursprünglichen Berufsplänen entsprach, setzte sich in einer glänzenden Solistenkarriere mit vielfältigem Repertoire fort, in deren Verlauf es mit dem Dirigieren leider weniger wurde, wie Graf berichtet, weil man dafür viel Flöte üben muss. Ebenso folgerichtig sein Wirken als Professor in Basel und den aus dieser ihn auch selbst fordernden und fördernden Lehrtätigkeit entstandenen flötenpädagogischen Schriften.

„In Form“ bleiben zu müssen und zu wollen, wie Moyse es nannte, hat ihn sein Leben lang begleitet, wobei er zu bedenken gibt, dass dieses Nie-mit-sich-ganz-zufrieden-Sein vielleicht auch ein „unbewusster Trick“ war, um in guter Verfassung mit der Flöte alt zu werden. Andererseits darf für ihn bei instrumentaler Perfektion das „Ausdrucksmäßige“ niemals fehlen – weil wesentliches Element der Musik.

Im letzten Text dann, Goethe folgend mit „glücklich allein ist die Seele, die liebt“, gedacht mehr als Orientierung denn als Garantie, wird die in seinen Erinnerungen durchscheinende Übereinstimmung von Leben und Tun noch einmal deutlich, zeigt einen Musiker und Menschen, dessen Kunst Bewunderung, Respekt und Dankbarkeit verdient.

Ursula Pešek