Thomann, Anja

Back to Basics

Ein Technikbuch für die Traversflöte

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Walhall, Magdeburg 2016
erschienen in: das Orchester 03/2017 , Seite 67

Die Musik des 18. Jahrhunderts auf zeittypischen Flöten zu spielen, das ist mit Nachbauten gut möglich. Ob sich die damals entstandenen Flötenschulen auch heute noch für den Anfangsunterricht eignen, das lässt sich nicht so leicht entscheiden. Präsentiert doch Quantz im Versuch einer Anweisung die Flöte traversière zu spielen sein ganzes Wissen, ohne dabei Rücksicht auf die Bedürfnisse von Anfängern zu nehmen. Auch seine Solfeggien und Capricen stellen als Protokolle des königlichen Flötenunterrichts komplexe Anforderungen. So sind inzwischen – als Brücke zum an sich unerlässlichen Quellenstudium – neu konzipierte Unterrichtswerke entstanden wie z.B. die Method for the One-Keyed Flute von Janet Dockendorff.
Anja Thomanns Technikbuch für Traversflöte ist dagegen keine Flötenschule, sondern konzentriert sich, wie der Titel fordert, auf grundlegende spieltechnische Aufgaben, methodische Anweisungen bleiben dem individuellen Unterricht überlassen. Als musikalische Einleitung wurden die Vingt Préludes en tous les tons usités von Charles de Lusse (um 1720-1774) ausgewählt; sie stammen aus seiner Flötenschule L’Art de la Flûte Traversière von 1761. Der Autor war um diese Zeit Flötist der Opéra-comique, hat auch gelegentlich komponiert und an Diderots Encyclopédie mitgearbeitet; eine Verwandtschaft mit der Instrumentenbauer-Familie gleichen Namens ist nicht anzunehmen.
Die Kapitel zu Grifftechnik, Tongestaltung und Artikulation orientieren sich an den Quantz’schen Solfeggi, sodass die verwendeten Quellen idealerweise französische und deutsche Überlieferung miteinander verbinden.
Soweit in diesem Rahmen möglich, sind die grifftechnischen Übungen musikalisch abwechslungsreich gestaltet. Angeboten werden Einspielübungen zur Vorbereitung der dann folgenden Tonleitern und Dreiklänge, einige typisch barocke Figuren sowie Terzen- und Quartenketten. Mit Hilfe der vorgeschlagenen Tonarten (in Dur bis fünf, in Moll bis vier Vorzeichen) und der Spielvarianten bzw. Artikulationsarten lässt sich daraus ein individuelles Arbeitsprogramm zusammenstellen. Die Tonübungen, zwischen denen ab und zu Messa-di-voce-Takte eingestreut sind, geben mit diatonischen und chromatischen Intervallschritten Gelegenheit, den Ansatz zu trainieren. Auch eine Glissando-Übung, bei der die Tonhöhenveränderung nur durch Ansatz und Drehen der Flöte erreicht wird (vergl. Quantz IV. Hauptstück, § 15), ist in dieser Hinsicht nützlich.
Ein weiteres Kapitel ist den Artikulationssilben gewidmet, insbesondere der von Quantz gelehrten Doppelzunge mit did’ll, die auf dem hölzernen Instrument klanglich von Vorteil ist. Die das Arbeitsbuch beschließende Griff- und Trillertabelle wird durch hilfreiche Kommentare ergänzt, für die sich die Autorin bei Rick Wilson bedankt, dessen Seite www.oldflutes. com sie nutzen durfte. So ist das übersichtlich gestaltete Heft für den Einstieg ins Traversflötenspiel sehr zu empfehlen und durch den mit Seiten aus den Solfeggi bedruckten Einband auch schön anzusehen.
Ursula Pešek