Bach & Piazzolla

Nikola Djoric (Akkordeon), Kurpfälzisches Kammerorchester, Konzertmeister: Hans-Peter Hofmann

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics 0301416BC
erschienen in: das Orchester 09/2021 , Seite 80

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts ist eine Reduzierung der bis dahin zu beobachtenden Instrumentenvielfalt festzustellen. Gegenläufig hierzu entwickeln sich in dieser Zeit ab 1829 aber auch die Handharmonikainstrumente, zu denen das gleichtönige Knopfgriffakkordeon genauso gehört wie das Bandoneon.
Ein weiterer Bezug zu diesem Jahr lässt sich mit der Wiederaufführung von Bachs Matthäuspassion durch Felix Mendelssohn Bartholdy herstellen und somit als verbindendes Element für diese ungewöhnliche Komponisten Zusammenstellung einerseits und der ungewöhnlichen Instrumentenkombination andererseits aufzeigen. Dabei wurden auf dem Akkordeon die originalen Notentexte ohne Bearbeitung realisiert.
Wer dieses Instrument näher kennt (hier das Knopfakkordeon), wird diesbezüglich nicht überrascht sein, bietet es doch auf den verschiedenen Manualen vielfältigste gestalterische Möglichkeiten. So erlebt man hier eine neue Klangfarbigkeit, vor allem hervorgerufen durch die atmende Tonerzeugung und eine stilsichere Phrasierung, die gemeinsam zu einem homogenen, aber auch kontrastierenden Zusammenspiel mit dem Kammerorchester wesentlich beitragen. So werden beispielsweise die langsamen Sätze der Cembalo-Konzerte – und hier besonders das Adagio des g-Moll Konzerts – von Nikola Djoric dezent expressiv und gesangvoll gestaltet. Hierbei vermeidet er es, die klanglich-dynamischen Möglichkeiten des Akkordeons „auszuspielen“. Vielmehr orientiert er sich an der barocken Spielpraxis, dass sich das Solo nicht fortwährend über das Tutti dominierend erheben muss. Hierbei bilden das Akkordeon und die Streicher einen häufig wechselnden, nuancenreichen und gesanglichen Klang. In den schnellen Sätzen hingegen überwiegen die stets leicht und durchsichtig wirkenden tänzerischen Elemente wie beispielsweise im Allegro (3. Satz) des d-Moll Konzerts und auch im Allegro assai des g-Moll-Konzerts.
Im Konzert für Bandoneon, Orchester und Perkussion (dazu Harfe und Klavier) von Piazzolla (1979) sind naturalistische Vorlagen (Besteigung des Aconcagua, des höchsten Bergs Südamerikas) der Ausgangspunkt für die programmatische Konzeption. Die Interpretation des 2. Satzes verblüfft hier besonders, ist er doch von einer poetisch-romantischen Stimmung geprägt, gleichwohl mit Piazzollas unverwechselbarer natürlicher Tonsprache und rhythmisch-prägnantem Ausdruck. Musikalisch besonders interessant ist der dritte Satz, der ähnlich wie der erste einem Concertosatz ähnelt, dessen Presto dann jedoch überraschend abbricht und in einem langen, melancholisch angehauchten Tangorhythmus übergeht und schließlich das Konzert beendet.
Abseits musikalischer Spartentrennung zeigen diese Einspielungen von Nikola Djoric und dem Kurpfälzischen Kammerorchester eine musikalische Offenheit, klangliche Vielfalt und Vitalität, wie man es nur selten erlebt.
Romald Fischer