Bach on Harp
Meditative Harfenkläünge zum Träumen und Genießen. Anne-Sophie Bertrand (Harfe)
> Anne-Sophie Bertrand wurde in Paris geboren. Sie studierte Harfe an der Royal Academy of Music in London und am Königlichen Konservatorium in Brüssel. Heute ist sie Solo-Harfenistin des hr-Sinfonieorchesters Frankfurt.
Der Titel der vorliegenden CD erscheint mir sehr fragwürdig. Im Booklet findet sich folgender kurzer Text: Aus dem Gesamtwerk Johann Sebastian Bachs hat die Soloharfenistin Anne-Sophie Bertrand Stücke eigens für ihr Instrument arrangiert und eingespielt. In weiten Klängen und ruhigen Rhythmen entsteht eine ganz eigene, innere Welt. Musik, um bei sich anzukommen und zu Hause zu sein. Mit dieser Einstellung zu Bach, den sie ja zweifellos verehrt, stellt Bertrand ihre musikalische Glaubwürdigkeit in Frage und ich vermisse musikalisches Verständnis für Bachs Werk, ja, Ehrfurcht vor diesem größten aller Meister.
Kommen wir zu den Arrangements, die natürlich nicht ausschließlich von Bertrand stammen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die berühmte Harfenisten Henriette Renié bearbeitete Track 1 der CD; Marcel Grand-
jany, den Bertrand allerdings erwähnt, arrangierte drei Tracks; die Lautensuite (Track 13-18) spielt Bertrand in der Bearbeitung von Marie-Claire Jamet. Arrangements berühmter Stücke erfreuen sich besonders bei französischen Virtuosen großer Beliebtheit. Dagegen ist nichts einzuwenden. Jedoch geht mir Bertrand in der Arie der Jagdkantate zu weit: Bach hat sie in g-Moll komponiert. Mit welchem Recht spielt sie das Stück in F-Dur?
Sodann vermisse ich Gründlichkeit bei der Recherche der Stücke. Im CD-Booklet gibt es zahlreiche Ungenauigkeiten bei den angegebenen Titeln. Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Nur ein Beispiel sei genannt: In Track 6 ist als Titel Herzlich tut mich verlangen angegeben. Das ist das Choralvorspiel BWV 727 aus dem Orgelbüchlein; Bertrand spielt aber den reinen Choral bekannt unter dem Titel O Haupt voll Blut und Wunden aus der Matthäuspassion BWV 244. Abgesehen davon spielt sie Sarabande (Track 7) und Bourreé (Track 8) in umgekehrter Reihenfolge. Warum?
In den meisten Bearbeitungen verändern sich speziell durch die Pedaltechnik der Harfe die Originaltonarten. Kein Verständnis kann ich jedoch dafür aufbringen, dass bis auf eine Quarte oder Quinte tiefer verändert wird. Besonders das Andante (Track 2) evoziert durch die Tiefenverschiebung einer Quinte einen völlig falschen Eindruck. In der Nähe der Originaltonart C-Dur hätte das Stück viel mehr musikalischen Sinn gebracht. Musikalisches Stilempfinden, besonders bei Bach, ist eine eigene Sache, da ist Toleranz angebracht und erforderlich.
Anne-Sophie Bertrand beherrscht ohne Frage ihr Instrument. Besonders brillant spielt sie die Chromatische Fantasie. Warum tut sie sich all die Unzulänglichkeiten und Fehler an? Schade! Diese CD ist wohl eher für das Ohr des entspannungssuchenden Laien geeignet.
Marion Hofmann