Heinz Stade

Bach, Liszt und Wagner

Spaziergänge durch das musikalische Weimar von gestern und heute

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Edition Leipzig/Seemann Henschel
erschienen in: das Orchester 02/2018 , Seite 59

Dass die historische Bedeutung Weimars insbesondere für die Geschicke der deutschen Klassik die kleine Stadt an der Ilm zu einem internationalen Touristenziel gemacht hat, muss kaum eigens betont werden. Viele Besucher dürften jedoch eine eher vage Vorstellung davon haben, wie eng die prominenten Orte und Bauwerke der Stadt mit den musikalischen Aktivitäten einer Vielzahl bedeutender Kulturschaffender in Zusammenhang stehen.
Heinz Stade hat hier Abhilfe geschaffen, indem er mit seinem Büchlein den Leser auf Ausflüge zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt mitnimmt und dort die Geschichte des Weimarer Musiklebens anhand der Aktivitäten ihrer wesentlichen Protagonisten erzählt (ein Stadtplan, in dem die einzelnen Sehenswürdigkeiten verortet sind, wäre an dieser Stelle praktisch gewesen). Stade, ein gestandener Thüringer Journalist mit den Schwerpunkten Reise, Kultur und Geschichte, der schon einige musikalische Reisen zu Johann Sebastian Bach publiziert hat, macht das unterhaltsam, ohne banal zu werden, schreibt flüssig, fabulierfreudig und gut recherchiert.
Zwar genügen Stades „Spaziergänge“ trotz ansprechender Bebilderung weder den informativen Erfordernissen eines Reiseführes noch den Ansprüchen musikhistorischer Vollständigkeit. Dennoch gewähren sie durchweg lebendige Impressionen wichtiger Stationen der Weimarer Musikgeschichte in unterhaltsam geschriebenen, anekdotenreichen Kapiteln, die mit klug ausgewählten Zitaten auch die wechselvollen ästhetischen Ideen und sozialen Zusammenhänge der jeweiligen Zeit zumindest anreißen.
Das beginnt mit Luther (der eher bedingt mit Weimar zu tun hatte) und seiner Neubestimmung der protestantischen Kirchenmusik, geht weiter mit dem Weimarer Wirken Johann Sebastian Bachs und gipfelt in der zentralen bildreichen Darstellung der Musikaffinität der Weimarer Klassik und ihrer Protagonisten Wieland, Goethe, Herder und Schiller.
Natürlich ist auch Franz Liszt ein größeres Kapitel gewidmet, der als letzte herausragende Musikerpersönlichkeit Weimars an den provinziellen Verstrickungen und der ewigen Rivalität zwischen Oper und Schauspiel mit seinen progressiven Visionen scheiterte. Auch Richard Wagner in die Überschrift dieser Veröffentlichung zu setzen, hat aber wohl mehr verkaufsstra-tegische als inhaltliche Relevanz, spielte Wagner doch eher in Liszts Utopien eine Rolle denn als ausübender Künstler in der Stadt.
Etwas zu kurz hingegen kommen die für die Geschichte der Weimarer Musik und Kultur zentralen Figuren Herzogin Anna Amalia und Zarentochter Maria Pawlowna. Ein kurzer Ausblick in die Gegenwart hingegen reicht bis zu Michael von Hintzenstern, der sich seit über 40 Jahren um die Pflege der zeitgenössischen Musik in Weimar verdient macht.
Insgesamt bildet das Büchlein trotz punktueller Vereinfachungen und Verkürzungen (musik-)histo-rischer Zusammenhänge einen netten Einstieg in das Thema Musik und Weimar. Wer es genau wissen will, muss Wolfram Huschke lesen…
Dirk Wieschollek