John Huber

B.C. before Cremona

A path through history to the violin

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Edition Bochinsky
erschienen in: das Orchester 05/2020 , Seite 65

Der Ursprung der Violine, wie wir sie heute kennen, ist noch immer von einem Schleier des Ungewissen umgeben. Das macht die Faszination, die von dem Instrument ausgeht, nur noch größer.
Traditionsgemäß geht man davon aus, dass es hauptsächlich Andrea Amati war, der dem Instrument im16. Jahrhundert in Cremona die endgültige Gestalt gab. Cremona, das ist der magische Ort des Geigenbaus, hier wirkten später die legendären Genies Stradivari und Guarneri, sie brachten das Instrument zur Perfektion. Die besten alten Instrumente dieser Provenienz haben handwerkliche und akustische Maßstäbe gesetzt, die noch heute gültig sind und denen jeder Geigerbauer nacheifert.
Doch was war davor? Was sind die Vorfahren der Violine, wie hängen die Dinge zusammen? Der amerikanische Autor John Huber begibt sich in seinem Buch auf Spurensuche, die global ist und zurückblendet in frühe historische Epochen, wo unter anderem die Seidenstraße als Pulsader wirtschaftlicher, politischer und kultureller Verflechtungen eine zentrale Rolle spielte.
Bevor die Dynastie der Familie Amati Mitte des 16. Jahrhunderts in Cremona anfing Geigen zu bauen, hatte das Instrument bereits in der östlichen und westlichen Welt eine lange Vorgeschichte hinter sich. Dieser Werdegang wird hier verdeutlicht. Irgendwann im 5. Jahrhundert war er da, der Augenblick, als ein Bogen die Saiten eines Zupfinstruments berührte, und das Streichinstrument war geboren. Vor dem Horizont der Weltgeschichte begibt sich Huber auf eine Zeitreise, die schließlich zu einem der perfektesten Musikinstrumente, der Violine, führte. Und auf eine Reise zu den herausragenden Geigenbauern Cremonas, deren Kunst in vielen noch erhaltenen Exemplaren weiterlebt und Vorbild ist.
Dies ist ein Geschichtsbuch, das den Ursprung des Instruments in einen weitgefassten geografischen und kulturellen Kontext stellt. Wenn auch noch nicht alle Rätsel um die Herkunft der Geige gelöst sind, so ist man der Beantwortung dieser Frage doch näher als je zuvor. John Huber leistet einen Beitrag dazu und resümiert den neuesten Stand.
Das Buch ist in englischer Sprache geschrieben und mit Bildern von Instrumenten, Landkarten und zeitgenössischen Darstellungen illustriert. Wer halbwegs sprachlich bewandert ist, sollte sich bei Interesse an diesem spannenden Thema nicht davon abbringen lassen, das Buch zu studieren.
In der Bibliografie finden sich wertvolle Hinweise auf vertiefende Literatur. Im Anhang kann man exemplarische Abbildungen von historischen Saiteninstrumenten bestaunen, die gezupft oder gestrichen wurden. Es handelt sich um Exponate aus dem „Scenkonstmuseet“ in Stockholm. Die Palette reicht von der persischen Tar, der indischen Sitar, diversen Varianten der Laute bis hin zu Streichinstrumenten wie der Viola da Gamba oder der Lira del Bracio. So ist allein schon das Blättern in dem Buch eine anregende und lehrreiche Beschäftigung.
Norbert Hornig