Richard Strauss, Ermanno Wolf-Ferrari
Aus Italien op. 16, Suite Veneziana
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Ltg. Ariane Matiakh
Zwei Münchner Komponisten ließen sich vom Land der Lebensfreude zu mehr oder weniger melancholischen Orchesterwerken inspirieren, jeweils in vier Sätzen wie eine Sinfonie, nämlich der 22-jährige Richard Strauss 1886 zu seiner ausgedehnten und klangprächtigen sinfonischen Fantasie Aus Italien op. 16 für ziemlich großes Orchester und der 59-jährige Halbitaliener Ermanno Wolf-Ferrari 1935 zu seiner unprätentiösen Suite Veneziana op. 18 für kleines Orchester über seine Geburtsstadt Venedig.
Aus Italien war die erste Sinfonische Dichtung von Richard Strauss: „Ich habe nie so recht an die Anregung durch Naturschönheiten geglaubt; in den römischen Ruinen bin ich eines besseren belehrt worden, da kamen die Gedanken nur so angeflogen“, schrieb er an seinen väterlichen Freund Hans von Bülow, dem er das Werk später auch widmete. Das sei kein klingender Reiseführer, betonte der Komponist, sondern bestünde aus „Empfindungen beim Anblick der herrlichen Naturschönheiten Roms und Neapels, nicht in Beschreibung derselben“.
Der „junge Wilde“ zeigt darin schon viel persönliche Eigenheit, besonders in der vollkommenen und raffinierten Beherrschung des Orchesters, vor allem im dritten Satz „Am Strande von Sorrent“. Bekanntlich musste Richard Strauss für die Verwendung des Standseilbahn-Schlagers Funiculì, funiculà – den er für ein neapolitanisches Volkslied gehalten hatte – im Finale „Neapolitanisches Volksleben“ nach einem Rechtsstreit Tantiemen an dessen Komponisten Luigi Denza zahlen.
Die niedrige Opuszahl bei Wolf-Ferrari erklärt sich dadurch, dass er überwiegend Opern schrieb und diese nicht nummerierte. Laut der Wolf-Ferrari-Literatur entstand der nostalgische Charakter der Suite durch das innere Leiden des Komponisten am damaligen Faschismus und Nationalsozialismus. Die wenigen Bläser treten darin nur selten solistisch hervor, kolorieren ansonsten gelegentlich den charakteristischen Streicherklang.
Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin erweist sich auf dieser CD wieder einmal als der ideale Klangkörper für solche Musik: transparent leuchtend und mit gelassenem Einfühlungsvermögen. Dass es in wenigen Passagen etwas an Präzision fehlt (zum Beispiel gleich im Eingangssatz bei Richard Strauss, „Auf der Campagna“), liegt sicher nicht an der 1980 in Frankreich geborenen Dirigentin Ariane Matiakh. Sie trifft sehr gut den meist sanften, bei Richard Strauss manchmal auch leidenschaftlichen Tonfall der beiden Werke. Da wird auch an komplexen und schnellen Stellen noch eine klare Artikulation angestrebt, was auch die Aufnahmetechnik des RBB weitgehend einfängt.
Ingo Hoddick