Ospald, Klaus
Aus dem Leopardi-Zyklus
Rund dreißig Kompositionen umfasst das Werkverzeichnis des an der Hochschule für Musik in Würzburg lehrenden Komponisten Klaus Ospald (*1956), darunter neben dem Musiktheater Dr. Faustus Lichterloh einige Orchester- und Ensemblestücke mit Solo- und Chorstimmen. Aus Ospalds umfangreichem sechsteiligen Leopardi-Zyklus, welcher auf die starken, atemlosen Gesänge in schlichten Bildern, als Ausdruck von Verlorenheit und fassungslosem Erkennen, des italienischen Dichters Giacomo Leopardi (1798-1837) zurückgreift, enthält die vorliegende CD drei Werke, die zwischen 2007 und 2011 entstanden und allesamt Auftragswerke des WDR sind.
Così, delluomo ignara (So, vom Menschen unwissend) für Kammerensemble ist ein düsteres Klangbild über die vom Menschen selbst ausgehende Verwüstung der Erde. Lang ausgehaltene Liegetöne von teils bohrender Intensität werden von der Live-Elektronik in Klangumwandlungen weitergeführt, abgedämpfte Töne des Flügels hallen nach, Flatterklänge der Blechbläser werden elektronisch verstärkt. Dies führt zu einem Endzeitszenarium, welches die Dominanz der Unter-Natur über den Menschen beeindruckend widerspiegelt. Im Nachlauschen auf die ständigen Transformationen der Klänge und Liegetöne wird der Hörer sensibilisiert für die Wahrnehmung einer schroffen und einseitig abhängigen Verschränkung von Natur und Mensch, so Ospald.
Ebenfalls eine bedrückende und resignative Grundstimmung herrscht in Sovente in queste rive (Häufig an diesen Ufern) für großes Orchester vor. Fragmentarische Einwürfe lassen das musikalische Material wenig leben. Die Musik ist oft statisch und unbewegt, es gibt kaum Entwicklung. Harte Clusterballungen, diverse Flatterklänge und Vierteltonbrechungen werden zum fatalen Ausdruck einer mit ihren ungezähmten Kräften den Menschen verschlingenden Natur.
Ein spannend zu hörender Klagegesang ist das dritte Werk Sopra un basso rilievo antico sepolcrale (Auf ein altes Grabrelief) mit starren Dissonanzen und flächigen Chorclustern, wie isolierte Aufschreie, feinnervig instrumentiert mit vier zum Teil elektronisch verstärkten Schlagzeugen und Basstuba. Am Schluss des Werks sorgen 18 unterschiedlich gestimmte Wassergläser für einen sphärischen Ausklang und Übergang in eine neue Klangdimension. Ich denke Vergangenheit und Gegenwart zusammen, um die unauflösbaren Dissonanzen wachzuhalten, die ständig über uns hinwegfegen und uns taumelnd mitreißen und die so oft beschönigt und verharmlost werden, da sie doch den großen Entwurf einer sogenannten fortschrittlichen Zivilisation gefährden, schreibt der Komponist dazu.
Diese CD ist sicher nichts für Zartbesaitete und durchaus auch noch harte Kost für Insider. Es wird sich aber dennoch oder vielleicht gerade deshalb lohnen, sich ihrer und der wirklich ernsten Thematik anzunehmen.
Christoph J. Keller